Organisationsrebellen gibt es nicht! Warum aus Überdruss keine Rebellion wird.

Immer häufiger liest und hört man vom „Organisationsrebellen“ –  der, der alles aufmischt, crazy durchdreht, die Organisation jongliert bis allen schwindlig wird und einfach das macht, was er will. Das cool Kid, das Kaugummi kaut, eine Taschenrechner-Casio-Uhr trägt, die Mütze verkehrt herum aufhat und sich auch genauso auf jeden Stuhl setzt.

Zumindest, wenn wir in einem amerikanischen Highschool-Movie aus den 90ern wären: „Gosh you freakin‘ teacher, leave me alone!“.

Und alle denken nur: „Woher nimmt der oder die nur die Kraft her, sich gegen alle Konventionen aufzulehnen und alles in Frage zu stellen?!“ Und dann kommt raus: Es ist eigentlich ’ne ganz arme Socke, die da rebelliert. Elternhaus kaputt und Schlüsselkind, Sehnsucht nach geordneten Strukturen. Rebellion als Hilfeschrei. The End. Schade.
Dieser Text ist im Rahmen der Blogparade #Organisationsrebellen von haufe.de entstanden: https://vision.haufe.de/blog/blogparade-organisationsrebellen/

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Doch zurück in die Analogie der Arbeitswelt. Um wirklich dem Phänotypen des Organisationsrebellen zu entsprechen, braucht man wahrscheinlich eine besondere Hybris. Die Wahrheit lautet meistens: Was für andere nach außen wie Rebellion wirkt, ist oft das Ende einer längeren Odyssee im eigenen Gewissenskampf des Organisations-Überdrüssigen. (Viel alleine, Schlüsselkind…)

Auf der einen Seite steht das, was der Organisations-Überdrüssige jahrelang gelernt hat: Wo sein Platz ist, was die Aufgaben sind und wie das Unternehmen funktioniert.
Auf der anderen Seite ein internes Netzwerk (mit Glück auch ein gutes externes), das er oder sie sich jahrelang mühsam aufgebaut hat. Ein sicherer Hafen aus Leuten, die ähnlich ticken. Und die den Organisations-Überdrüssigen wertschätzen für seine Arbeit und dafür, dass er oder sie sich traut, Dinge einfach auszusprechen – auch die, die nicht so toll laufen.

„Wirklich toll, wie viel Mut du immer hast, ich würde mich das ja nicht trauen!“

Doch das Netzwerk des Organisations-Überdrüssigen spiegelt ihm oder ihr auch: Alle scheinen irgendwie glücklicher im Job zu sein. Klar, finden die Anderen manche Sachen auch bescheuert und es sei ja auch ganz toll, wie sich der Organisations-Überdrüssige einsetze. Aber um 17:00 Uhr ist halt Feierabend.

Beim Organisations-Überdrüssigen ist um 17:00 Uhr ganz sicher kein Feierabend – schon gar nicht im Kopf. Die Freunde und der Partner, die Familie – alle können es schon nicht mehr hören: „Dann geh doch einfach, was machst du da noch? Du passt da eh nicht hin!

Ja, gehen, okay, aber irgendwie lässt man dann auch eben alles hinter sich, was man sich mühsam aufgebaut hat. Und eigentlich mag selbst ein Organisations-Überdrüssiger seinen Job ja auch. Also versucht der „Otto-Normal-Organsisationsrebell“ erstmal Dinge im Kleinen zu verändern. Die kritischen Nachfragen oder interessierten Bemerkungen in Meetings werden aber von Führungskräften als Affront gewertet. Kollegen verdrehen genervt die Augen: „Alte/r, gleich ist Mittag, muss der/die immer so schlau machen?!“.

Der Organisations-Überdrüssige wird vielleicht zunächst noch versuchen, andere für neue Ideen oder Herangehensweisen zu begeistern und das eigene Netzwerk für die Kollegen zu öffnen. Leider kann aber auch das wieder als Hervortun oder Spinnerei abgetan werden: „Du willst ja nur schlauer als die andern sein.“

Rebellion klappt selten am unteren Ende der Hierarchie.

Warum der Organisations-Überdrüssige meist nicht zum Rebell werden kann? Er kommt nicht weiter in seiner Karriere: Kein Potenzial, zu unbequem, zu wenig „Alignment“ – „und erstmal bitte das Projekt fertig machen, an denen schon 3 Kollegen zuvor gescheitert sind, ja?!“. „Sie sind wirklich eine tolle Persönlichkeit, aber – verstehen Sie mich nicht falsch – Sie sind vielleicht auch ein bisschen zu emotional. Also man merkt Ihnen ja Ihre Begeisterung an, aber das kann Ihnen auf so einer Stelle dann auch schaden.“

Der ganze Berg an Enttäuschungen baut sich über einem Organisations-Überdrüssigen immer weiter auf – manchmal schnell, manchmal sehr langsam. Und irgendwann kommmt es, dann zum Einsturz. Und plötzlich ist klar: So auf keinen Fall mehr. Das war’s. Ich muss hier weg.

How soon is now?

Zwischen „ich wünsche mir mehr Wertschätzung und Raum für meine Ideen“, „sieht das denn hier keiner, was das Problem ist?!“ und „ich muss hier weg!“, können auch mehrere Jahre liegen, in denen der Organisations-Überdrüssige noch darum kämpft, seine Vision einer modernen Arbeitskultur einbringen zu können.

Das Problem ist, dass die Überdrüssigen oder von mir aus auch „Rebellen“ nur in Ausnahmefällen zu Königen gemacht werden. Vielleicht wollen sie das aber auch gar nicht. Vielleicht wollen sie den Status quo challengen, weil sie sich selbst unterfordert und nicht wertgeschätzt fühlen. Vielleicht haben sie eine Idee davon, wie es anders aussehen könnte, aber niemand hört ihnen zu.

Wenn Sie also das nächste Mal auf einen vermeintlichen Rebellen treffen, gehen Sie doch einfach mal auf ihn oder sie zu. Fragen Sie nach den Beweggründen. Wahrscheinlich steckt mehr konstruktive als destruktive Energie dahinter. Und die sollten Sie sich – insbesondere wenn Sie in Führungsposition sind – zu Nutze machen. Ansonsten haben sie wahrscheinlich bald einen kreativen Geist weniger in ihrer Organisation.

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Eine Antwort zu „Organisationsrebellen gibt es nicht! Warum aus Überdruss keine Rebellion wird.”.

  1. Love it! Sehr gut beobachtet, wie ich finde. Ein Rebell allein soll es richten mit der ORG-Umkrempelei. Untertitel: „Braveheart – die Geschichte eines Burnouts“.

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