Als die Einladung zum DB Exchange-Barcamp ins Mailfach flatterte, war ich erstmal erstaunt. Hatte Hartmut vergessen, dass ich meinen Arbeitgeber doch schon vor einiger Zeit gewechselt hatte? Nein, das sei schon alles richtig so, wurde mir versichert. „Spend less, share more“ als Motto. Aha..?!
Nach meiner Anmeldung – zunächst hielt ich fälschlicherweise den abendlichen Auftakt für den einzigen Teilnahmepart (trinken und quatschen kann ich 😉 )- wurde ich dann doch mit einer eineinhalbtägigen, tollen Veranstaltung belohnt. Schon am Vorabend in den Spreewerkstätten war klar: Ich werde es am kommenden Tag keinesweges nur mit Bahnern zu tun haben, sondern mit einem bunten Portfolio aus Agile Coaches, Personalentwicklern, IT’lern, Konzern- Führungskräften und Startup-Geschäftsführern. Die Vorfreude stieg ob der tollen abendlichen Gespräche.
Leider wurde mir in diesem Zuge (1 Wortspielpunkt) auch bewusst, dass ich meine ursprüngliche Sessionidee kurzerhand umstricken musste. Ich sag mal so: Was dann am frühen Morgen nach dem doch etwas späteren Zubettgehen als Vorstellung meiner Session raus kam, war gar nicht mal so schlecht. Für Bahnverhältnisse leider etwas zu englisch, aber my gosh, relax.
„Netzwerken mit Eva auf Denglisch“- an meine Gruppe kann ich nur sagen: „sänk you for travelling with me!“ Allen, die nicht dabei, möchte ich die spannenden Learnings der Session nicht vorenthalten.
(Wer mir per Mail die Anzahl der eingestreuten englischen Begriffe mit seiner Adresse zusammen schickt, bekommt eine Überraschung zugesendet! 🙂 )
1. Am aufregendsten ist es, wenn du einfach reinjumpst
Während ich im Sessionpitch vorstelle, was ich machen will, rede ich mich gefühlt um Kopf und Kragen. Ich muss selbst lachen, alle anderen auch. Guter Icebreaker und so, nunja. Man wird sich vielleicht nachhaltig an mich erinnern? Auch das ist ja in punkto netzwerken nicht verkehrt. Also – ich bin dann mal ganz oben im Turmzimmer ab 11:00 Uhr.
Die Session hab ich dann völlig frei gestartet. Jeder durfte erzählen, was seine Netzwerkerfahrung ist, welche Erlebnisse er oder sie in Bezug auf Netzwerke hat und was für ihn oder sie selbst wichtig ist, wenn es um Networking geht.

2. Xing- und LinkedIn-Accounts sind in unserer Gruppe fast gleichviel vorhanden. Twitter ist der Außenseiter.
Die meisten der 19 Sessionteilnehmer fühlen sich bei Xing wohler. LinkedIn ist „zuviel Facebook“: Bilder, Videos, Verlinkungen etc. nerven manchmal einfach nur. Könnnen aber auch durchaus Inspirationsquelle sein, wie ein Teilnehmer anmerkte. Die Anfrage von Personen, die man gar nicht kennt, weil sie auf einem anderen Kontinent wohnen, sind auf LinkedIn auch häufiger und nerven die meisten eher.
Bei Xing läuft es eben gesitteter. Als Heavyuser haben sich vor allem die geoutet, die die Online-Netzwerke beruflich brauchen: Selbstständige, Mitarbeiter in internationalen Firmen, Recruiter etc.
Twitter lag weit abgeschlagen auf dem 3. Platz und wird eher als Kanal wahrgenommen, über den man sich wahlloser mitteilt.
Einige in der Gruppe betreiben auch bewusstes „Netzwerk-Detoxing“, indem sie gezielt Kontakte aus ihren Listen entfernen oder ablehnen.
3. Netzwerken geht auch ohne Internet
Spannend fand ich auch, dass oft folgender Satz fiel: „Naja, ich bin nicht so der krasse Netzwerker. Also ich hab da so ne Whatsappgruppe, oder ich treffe mich auch mal mit ehemaligen Kollegen…“ – spannend, dass beim Netzwerken erstmal viele an Xing, LinkedIn und Visitenkarten-Tauschparties denken. Dass der Begriff mittlerweile doch sehr digital belegt ist, hängt natürlich vor allem an Facebook und Xing. Eine Sessionteilnehmerin meinte, dass sie sich vor kurzem erst getraut hat, einfach mal jemanden auf einem Event anzusprechen, den sie nur vom Xing-Foto kannte. Learning: Tat gar nicht weh.
Aber als wirkliche Treiber für erfolgreiches Netzwerken werden reine digitale Communities nicht gesehen. Eher als Stein des Anstoßes. Was ich damit meine folgt im nächsten Punkt.

4. Sympathie ist die Basis für weiterführendes Netzwerken
Was passiert nach dem Bestätigungsklick, nach dem Einstecken der Visitenkarte? Meistens: Nix. Es sei denn, man hatte sich in dem Moment oder kurz danach wirklich was zu erzählen, ist sich irgendwie sympathisch, brennt für das selbe Thema…also irgendwie muss man etwas im anderen finden, was nicht nur beruflich geprägt ist. Sonst verläuft das ganze im Sande. Da waren sich alle einig.
5. Ein verbindliches und echtes Netzwerk gibt es nicht ohne Effort
Nachhaltiges Netzwerken kostet Zeit. Ich fand die Unterteilung schön, die ein Teilnehmer machte: In „aktive“ und „passive“ Netzwerke.
In aktive Netzwerke investiert man Zeit, sie sind dynamisch und „am laufen“ – man trifft öfter zusammen oder aufeinander und kann daraus auch direkten persönlichen Gewinn ziehen.
Die passiven Netzwerke laufen im Hintergrund. Sie sind da, ruhen aber eher. Sie werden dann aktiviert, wenn es gerade theamatisch oder zeitlich passt. Das kann auch mal eine virtuelle Gruppe auf Xing oder LinkedIn sein oder der Kollege, den man nur alle zwei Jahre auf diesem einen Event sieht. Eine Qualitätsaussage beinhaltet diese Unterscheidung zunächst nicht.
6. Raucherpause – geht leider nix drübber
Wir konnten uns darauf einigen, dass man nicht unbedingt mit dem Rauchen anfangen muss, um eine Raucherpause einzulegen. Man kann sich auch mal einen Kaffee schnappen. Aber in der Raucherpause werden nicht zuletzt in größeren Firmen die hot topics besprochen. Man trifft in der Kollektivsucht einfach und unkompliziert auf Kollegen aus anderen Abteilungen. Man kennt sich und so manches Begehr wird schneller bearbeitet, wenn man mal ein Feuerzeug ausgeliehen hat.
Ich hab nie geraucht und ich steh auch echt nicht gerne dabei, aber ich weiß: Es ist einfach was dran. Also…Mundschutz an, Strohhalm in den Kaffee – und dazustellen!

7. Meetups als Therapieraum – oder halt auch als Netzwerkquelle
Am besten gefiel mir der Gedanke eines Meetups als beruflicher Therapieraum. Sich einfach auch mal gegenseitig sein Leid klagen, aber daraus auch gemeinsame Lösungsvorschläge generieren und sich Ideen und Anregungen für neue Projekte holen: Viele aus der Sessiongruppe nutzen formelle oder informelle Treffen gerne, um sich auszutauschen.
Guten Tipp fand ich auch: Wenn man umzieht und noch wenig Kontakte vor Ort hat, kann man das mit Hilfe von Meetups sehr schnell ändern. Diese gibt es ja nicht nur in beruflichem Kontext.
8. Vertrauen muss man sich erarbeiten
Passt auch zu Punkt 4 dieser Aufzählung: Es hat niemand behauptet, es sei nicht auch anstrengend, ein Netzwerk zu pflegen.
Die Spreu vom Weizen trennt sich oft dann, wenn es um schwierigere Themen geht, die man ansprechen möchte. Berufliche Probleme, Stress mit dem Chef oder mit dem Team, schwierige Projekte – man erzählt nicht immer allen alles. Der Sympathiefaktor spielt natürlich eine Rolle, aber auch wenn es an der Stelle an Sympathie nicht mangelt, bekommt man Vertrauen eben auch nur dann geschenkt, wenn man es auch zurückgibt. Indem man eben genau diese Themen, die einen wirklich beschäftigen, auch mal anspricht. Im besten Falle ensteht daraus eine nachhaltige Verbindung. Und wenn nicht weiß man eben auch, woran man ist. 😉
9. Das persönliche Gespräch ist nicht ersetzbar
Wir kennen den neuen Trend der Sprachnachrichten. Teenies wie Erwachsene halten sich ihr Handy schräg vor das Gesicht und quatschen sich gegenseitig Nachrichten in den Messenger. Ich gebe es zu: Ich finde diesen Trend dämlich. Alleine die Idee, dass ich das Smartphone so bescheuert halten muss…und wieso ruft man sich nicht an?! Okay ich bin alt!
Was ich eigentlich sagen will: Wir waren uns innerhalb der Gruppe einig: Netzwerken ist nur dann echt und nachhaltig, wenn man sich auch mal „in echt“, Spezis sagen auch „im real life“ kennenlernt. Dafür sollte man sich auch mal einen Abendtermin einrichten (insbesondere wenn es Kontakte sind, die nicht regelmäßig in der Stadt sind).
10. Netzwerken kannst du überall
Es muss ja nicht immer das Business-Netzwerk sein. Netzwerken heißt einfach, dass man neue Menschen kennen lernt und sich dabei die Möglichkeit gibt, irgendwie in Kontakt zu bleiben. Damit gibt man dem zufälligen Zusammentreffen die Chance, sich weiterzuentwickeln. Daraus kann etwas enstehen, muss aber eben nicht.
Diese Art des Netzwerkens kann im Urlaub passieren, im Flieger, in der Bahn, beim Einkaufen…es braucht dafür keinen besonderen Raum oder Event. Aber gerade Events helfen natürlich dabei, die Chance zu erhöhen, auf Gleichgesinnte zu treffen.
Das Beste wie immer zum Schluss:

Es ist DEIN Netzwerk – genieße es!
Die wichtigste Erkenntnis war auch, dass man sich auch erlauben darf, sein Netzwerk zu genießen. Toll, wieviele Gleichgesinnte oder spannende Menschen du kennst. Super, dass du auf eine Konferenz gehst und dort bekannte Gesichter entdeckst. Cool, dass wir hier in der Session beisammen sind und gleich unsere Kontakte austauschen werden.
Dass es dein persönliches Netzwerk ist, schließt ja nicht aus, dass du dein Netzerk dem ein oder anderen öffnest, dass du Menschen in Kontakt bringst und genau weißt, dass hier was tolles entsteht, bei dem du vielleicht gar nicht mehr dabei bist. Egomanentum ist beim Netzwerken Fehl am Platz und wird abgestraft, aber dennoch darf man sich auch über die eigenen Früchte, die man nur für sich erntet, freuen.
Danke nochmal an alle Sessionteilnehmer für ihre Offenheit und Danke an Hartmut von der DB Akademie, ohne den es dieses Format (natürlich neben den ganzen fleißigen Helfern) nicht gegeben hätte.
Das Barcampformat hat mal wieder gezeigt, dass man es in kurzer Zeit schaffen kann, eigengesteuert viel Out- und Input zu generieren. Dafür braucht es weder eine Highend-Location, noch teure Speaker. Das Wissen liegt bei diesen Veranstaltungen im Raum, bei den Teilnehmer und die Motivation eben auch. Wenn sich jeder in seine Komfortzone zurückzieht, gibt es weder Out- noch Input. Seinen eigenen Denk- und Wissenshorizont zu überschreiten und sich auf neue Ideen einzulassen: Das macht der Reiz von Barcamps aus. Mach doch einfach mal selbst eins! 🙂

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