Von Beruf: Frau

Die Studien belegen es: Frauen sind unterbezahlt. Das ist leider nichts wirklich neues. Darüber hinaus sollen sie selbstverständlich Familie und Karriere abfahren. Ist ja auch nichts neues. Ist doch ganz normal und modern, hallo?! Benachteiligung war ja wohl gestern.

Ich sage: Im Gegenteil . Frauen sehen sich – insbesondere mit Kindern – im Job oft Benachteiligungen ausgesetzt. Es soll wohl immer noch Geschlechtsgenossinnen (insbesondere Frauen in Top-Positionen) geben, die in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kein Problem sehen. Disziplin sei alles und dann schafft man das schon mit der Karriere. Dass diese „Disziplin“ teuer mit Kindermädchen und einigen Tränen an Sonntag Abenden erkauft wird, wenn es mal wieder an den Zweitwohnsitz geht, davon erzählt man lieber nicht so gerne. Das Stigma der Rabenmutter.


Wunsch und Wirklichkeit

Wieso kann man nicht offen damit umgehen, dass es nicht einfach ist, die Vollzeit-Brötchenerwerberin mit Karriereanspruch zu sein und dazu noch die Rolle der sorgenden Mutter auszufüllen?! Und zwar ohne die Angst davor, gleich als Rabenmutter hingestellt zu werden. Der Wunsch, sich nicht erst dann selbst zu verwirklichen, wenn die Kinder ausziehen, um dann wieder bei Null anzufangen ist doch mehr als nachvollziehbar. Die Ängste davor, dass vor lauter Karriere die Kinder zu kurz kommen, sind es aber auch. Trotzdem traut sich kaum eine Frau, wirklich offen darüber zu sprechen, welche Abstriche am Familienleben notwendig sind, um einer Vollzeitarbeit nachgehen zu können.

Die Väter, die zu Hause bleiben gelten gemeinhin eher als arme Socken. Zu Hause Windeln wechseln, während die Frau arbeiten geht. Ist ja klar, wer da die Hosen anhat! Klingt altertümlich und ein bisschen hinterm Mond? Ich behaupte: Gar nicht so weit hergeholt! Das doofe ist: Andersrum wird für den Vater auch kein besserer Schuh draus. Diejenigen, die für ihren Job ein normales Familienleben aufgeben, werden gemeinhin wenig in Frage gestellt. Gibt es doch spätestens seit dem Beruf des Handlungsreisenden oder des Monteurs in der modernen Arbeitsgeschichte genug Historie hierzu. Es ist also kein fremdes Bild, dass Männer sich aus dem Familienleben (zumindest temporär) auch mal herausziehen. Was leider auch bedeutet, dass es oft weder Mitleids- noch Väterbonus gibt in bestimmten Branchen.

Nun habe ich noch keine Kinder, aber alleine die Vorstellung, ein erfülltes berufliches und ein erfülltes Familie für Einsteiger -Leben (und das ist es sicherlich, bis das erste Kind mal in die Schule gekommen ist) zu führen, schließt sich für mich per se aus. Schaue ich in mein Umfeld, dann gibt es dort praktisch keine Frauen, die nicht einen Preis dafür gezahlt haben, ihre Karriere zu machen. In der Partnerschaft, in der Familienplanung und im Familienleben. Andersrum gibt es auch kaum Frauen in meinem Umfeld, bei denen der Familienwunsch nicht auch den Karrierepreis gekostet hätte. Klar. Die eine Tür geht zu, eine andere öffnet sich. Ist doch alles nicht so schlimm. Aber ist es wirklich so einfach? Und: Wieso muss die Karrieretür denn bitte erstmal zu sein, sobald man schwanger ist?

Kind undoder Karriere

Der Druck des modernen und optimierten Menschen lastet stark. Sich für eines zu entscheiden, Kind oder Karriere, das klingt nicht mehr zeitgemäß. Und selbst wenn ich mich entscheiden möchte: Ist es finanziell überhaupt möglich? Ist es moralisch okay? Was für ein Vorbild bin ich, wenn ich nicht arbeite? Was bin ich für eins, wenn ich arbeite und dafür beim Familienleben Abstriche mache?

Wenn man seinen Lebensstandard nicht verlieren möchte, dann ist eigentlich nicht daran zu denken, sich nur für die Familie zu entscheiden. Daran hat auch moderen Gesetzgebung wenig geändert. Wenn man nicht als herzloses Wesen gelten möchte, dem am Ende sogar die eigene Familie nichts wert zu sein scheint, dann scheint es mir als Frau unmöglich, sich neben Familie auch intensiv um die eigene Karriere zu kümmern.
Viele Mütter fühlen sich nach der Rückkehr in Ihrem Job erstmal allein gelassen. Wenn man Pech hat, sind von den Themen, denen man sich vor der Mutterschaftspause gewidmet hat, gar keine mehr übrig. Vielleicht gibt es ja sogar schon den Nachfolger auf dem eigenen Arbeitsplatz, der (huch, doof gelaufen) nicht nur interimsweise eingestellt wurde.
Wenn man Glück hat, bekommt man neue Themen, die einen ebenso fordern wie vor der Mutterschaft. Wenn man Pech hat – und diese Seite habe ich leider viel öfter beobachtet – wird man nur „abgeparkt“ im Job. Frei nach dem Motto: Die ist ja nun eh mit anderen Dingen beschäftigt.

Männer bekommen Schulterklopfer wenn sie sich die lange Elternzeit gönnen. Einfach mal ein Jahr raus aus allem. Toll, dass der das macht! Wow, das hätte ich ihm gar nicht zugetraut, moderner Mann!

Frauen bekommen keinen Anerkennungsbonus. Vielleicht bekommen sie ein müdes: Toll, dass die das so hinbekommt mit Kind und dem verantwortungsvollen Job. Aber im Hinterkopf rumort es dabei sehr wahrscheinlich: Na der arme Vater, das arme Kind, na ob sie den Spagat wirklich schafft…

Frauen – und nicht zuletzt Mütter – wissen, dass der Preis, der für den Kampf Karriere vs. Familie bezahlt wird, an irgendeiner Stelle nicht mehr mit dem Gehalt aufgewogen werden kann. Und gerade hier müsste doch die schöne neue Arbeitswelt endlich ansetzen.

Schöne, alte Arbeitswelt

Flexibles arbeiten, Unterstützung in der Kinderbetreuung (und damit meine ich nicht die Betriebskita, in der die meisten der Eltern, die ich kenne, ihre Kinder nicht unterbringen möchten – „zuviel Klüngel“ heißt es da auf meine Nachfragen), ein Arbeitsklima, das nicht von persönlichem Leistungsdruck, sondern von Anerkennung und Fürsorge geprägt ist. Ein Traum? Wieso eigentlich?
Was tun wir als HRler dafür, dass sich Eltern in unserer Company wirklich wohl fühlen (können)? Ist es der Eltern-Kind-Raum, in denen die Kinder 3 Bauklötze zur Verfügung haben, oder ist es das Commitment, dass es okay ist, wenn jemand mal ausfällt, weil das Kind krank ist, aber seine Sachen dann eben später liefert? Fördern wir die Kollegen, die die Nase rümpfen, wenn man Punkt 16:00 Uhr los muss, um das Kind aus der Kita zu holen, oder fördern wir die Kollegen, die an der Stelle auch mal unter die Arme greifen weil Sie wissen, dass Ihnen – auch ohne Kind und Kegel – an anderer Stelle ein ebensolcher Freiraum gewährt wird?

In der modernen Arbeitswelt wird gerne immer noch so getan, als wären wir gerade erst mitten in der Industrialisierung: Bis 18:00 Uhr müssen die 60.000 Schrauben geliefert sein. Da brauchen wir jeden Mann! Und wer von Euch produziert noch Schrauben am Band?

Gerade in der Bürokultur hat sich erstaunlich wenig gewandelt seit es okay ist, dass sich Frauen nicht mehr zwischen Job und Karriere entscheiden müssen. Wieso gibt es immer noch so wenige weibliche Führungskräfte? Wieso braucht es einen equal pay day?
Wir als HR haben die Verantwortung! Nicht nur für Mutterschutz, Elternzeit und Reboarding, sondern auch dafür, dass wir eine Unternehmenskultur mitgestalten und einfordern, die allen gerecht wird.

Was nützen Bekenntnisse auf dem Papier? Z.B. irgendwelche Arbeitszeitmodelle, bei denen die Chefs die Nase rümpfen, wenn man sie anspricht. Was kann HR tun, um hier werdende Mütter zu unterstützen?

Nicht jede werdende Mutter hat die Kraft und vor allem das Selbstvertrauen, sich noch vor der Geburt des Kindes erfolgreich um einen neuen Job zu bewerben – so wie z.B. meine Freundin Fine. Wieso eigentlich nicht?! Werdende Mütter sind nicht krank, auch nicht unzurechnungsfähig. Die werdende Mutter ist einfach nur eines: schwanger. Aber so einfach scheint es ja nicht zu sein.

Fragen wir uns mal ganz ehrlich: Würden wir eine werdende Mutter einstellen? Noch vor der Geburt des Kindes? Autsch! Ich wette, die folgenden Fragen fliegen einem direkt durch den Kopf: Wer weiß, wie sie danach klar kommt, wer weiß, wie das Kind in der Kita-Eingewöhnung ist, wer weiß ob Sie wirklich nach 6 Monaten wieder anfangen kann.

Ja- wer weiß schon, ob das bei dem Bewerber, dem ich dann den Vorzug gebe, nicht auch so ist?! Hier muss HR Management (das ja ironischerweise nicht selten sehr frauenlastig besetzt ist) endlich auch die eigene Grenzen aufbrechen und sich einsetzen. Möge der geeignetste Bewerber den Job bekommen. Und wenn er gerade schwanger ist – so what?!

Ich würde mir jedenfalls Wünschen, dass endlich eine Debatte von Eltern für Eltern geführt wird in den Unternehmen. Nur durch den Hub in der Arbeitswelt kann es auch eine Auswirkung nach außen und in die Politik geben. Wieso warten wir ab, bis uns die Politik zu irgendetwas zwingt, wenn hier ein Hebel wartet, der direkt auf die Unternehmenskultur und die Mitarbeiterzufriedenheit einzahlen kann?

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