Mischa Riedo kam über Twitter auf mich zu und wir haben schnell beschlossen, dass wir uns mal austauschen sollten. Der junge Schweizer schaut sich gerne um und dabei vor allem über den Tellerrand hinaus – und holt sich sein Wissen und seine Inspiration auch mal über Youtube-Videos. Obwohl er Stromberg-Fan ist, kann er mit dessen Führungsstil glücklicherweise nicht viel anfangen.
In der Banken- und Finanzwelt hat er einige Jahre mit den großen Zahlen jongliert, aber irgendwie war da das Gefühl, dass er noch mehr will und kann. Der Blick über den eigenen Schreibtisch hinaus war für ihn das Sprungbrett zum eigenen Unternehmen: Was macht HR da eigentlich mit diesen Performance Reviews? Wieso nur jährliches Feedback, wenn doch der Weg eben auch das Ziel ist? Und wie soll ich mich denn verbessern, wenn ich mich an die Projekten so lange Zeit später nur noch rudimentär erinnern kann?!
Gemeinsam mit seinem Mitgründer möchte Mischa Feedback für Mitarbeitende (wie es in der Schweiz heißt) als auch für Führungskräfte zu einer fairen und bereichernden Angelegenheit machen. Wie er das mit QuercusApp erreichen will, erzählt er mir im Interview.
Mischa Riedo (rechts) und sein Gründerpartner Lucien Brahier (links) stellen ihre QuercusApp auf einer HR-Konferenz in Paris vor.
Lieber Mischa, Danke, dass Du Dir Zeit nimmst, mir ein paar Fragen zu QuercusApp zu beantworten.
Du hattest vorher einen sicheren Job mit schönem Einkommen. Was hat Dich dazu gebracht, das geregelte Angestellten-Dasein zu verlassen und Deine eigenen Firma zu gründen?
Mich hat das Unternehmertum schon immer fasziniert. Der Facettenreichtum innerhalb eines Startups ist absolut einzigartig und für mich das gewichtigste Argument für meinen Entscheid.
Man arbeitet konstant an den Grenzen seines Könnens und Wissens – meistens darüber hinaus. Dabei expandiert man diese kontinuierlich und lernt dabei unglaublich viel. An einem einzigen Tag kann ich so zugleich im HR, Sales, Produktmanagement und Investor Relations arbeiten und Entscheidungen treffen. Wer fände das nicht spannend? 🙂
Du hast ja nicht ganz alleine gegründet, sondern mit ehemaligen Kollegen. Was würdest Du sagen: Was sollte man unbedingt bedenken, wenn man gemeinsam gründet?
Mein Geschäftspartner Lucien Brahier stammt sogar aus der gleichen Familie: Er ist mein Cousin.
Ich persönlich erachte zwei Faktoren als entscheidend: Man muss sich gegenseitig blind vertrauen können und die Vision des Unternehmens teilen bzw. die gleichen Erwartungen an das gemeinsame Abenteuer haben. Wenn nicht alle Gründer die gleiche Kadenz oder zumindest in die gleiche Richtung fahren, wird es noch schwieriger als es ohnehin schon ist.
Was würdest Du sagen, war bisher die größte Herausforderung auf eurem Weg?
Die Rekrutierung des Teams hat mir persönlich wahrscheinlich am meisten Kopfzerbrechen bereitet, auch weil ich es im Nachhinein gesehen wohl massiv unterschätzt habe.
Als Startup hast Du den Nachteil, dass Du keinen bekannten Brand, kein grosses Budget und oftmals nicht einmal ein bewiesenes Geschäftsmodell hast. Gleichzeitig benötigst Du aber ein phänomenales Team, um eine extrem ambitiöse Idee in die Realität umzusetzen und dabei noch die langjährig bewährte Konkurrenz auszustechen.
Was kann die QuercusApp und warum sollten sich Unternehmen euer Tool unbedingt mal angucken?
QuercusApp ermöglicht durch eine enorm einfache Bedienung regelmässiges, Echtzeit-Feedback unter Mitarbeitenden und erfindet so die jährliche Mitarbeiterbeurteilung neu. Anstatt einmal oder vielleicht zweimal im Jahr Feedback zu erhalten, erhalten Mitarbeitende das ganze Jahr hindurch qualitativ hochstehendes – d.h. zeitnahes, spezifisches, strukturiertes und direkt anwendbares – Feedback. Mitarbeitende wissen so jederzeit wo sie stehen und können das ganze Jahr über ihre Fähigkeiten verstärken.
Gleichzeitig entlasten wir Führungskräfte am Ende des Jahres gewaltig, da diese durch den kontinuierlichen Feedback-Austausch bereits 90% der benötigten Daten das Jahr hindurch sammeln und sich so vollständig auf das Coaching ihrer Mitarbeitenden fokussieren können.
Einblick in die App: Mit Hilfe des Dashboards haben Mitarbeiter und Führungskraft eine Übersicht über das abgegebene Feedback und die Kompetenzausprägungen.
Braucht man heutzutage überhaupt noch definierte Jahresziele?
Das kommt bestimmt auf die jeweilige Industrie, Firma oder sogar Berufsgattung an. Grundsätzlich aber macht es im heutigen Umfeld sicherlich mehr Sinn, die Ziele dynamisch anzupassen.
Agilität wird für immer mehr Unternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor und die Prioritäten verändern sich laufend. Denn ganz ehrlich: Welcher Geschäftszyklus dauert heute noch ein Jahr?
Was macht für Dich ein gutes Feedback aus?
Für mich sollte ein gutes Feedback spezifisch und direkt anwendbar sein. Wenn der Austausch dann noch regelmäßig stattfindet, hat man ein enorm gutes Fundament, um sich laufend verbessern zu können.
Unter Deinem Profilbild bei LinkedIn steht, dass Du das Performance review neu erfinden möchtest, um die Mitarbeiter (und damit auch das Unternehmen) dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.
Wieso sollte ich mir als Mitarbeiter Euer Tool wünschen? Schließlich wird man dadurch vielleicht transparenter als einem vielleicht manchmal lieb ist. Der Chef oder die Chefin müssen ja nicht immer alles wissen…
Die Leistungen des Mitarbeitenden waren schon immer ziemlich transparent. Das Gleiche kann man aber von den Mitarbeiterbewertungen der Vorgesetzten am Ende des Jahres nicht behaupten. Somit wird vor allem der ganze Bewertungsprozess transparenter und fairer.
Hinzukommt, dass die Mitarbeitenden mit unserem Tool jederzeit wissen wo sie stehen, was sie gut machen und wie sie sich weiter verbessern können. Im traditionellen Prozess steht der Mitarbeitende über diese Punkte 12 Monate lang im Dunkeln. Das demotiviert nicht nur, sondern macht es Mitarbeitenden auch enorm schwer sich weiterzuentwickeln.
Welche Funktion sollte Deiner Meinung nach eine Führungskraft im Feedbackprozess und Performance review-Prozess einnehmen und wie kann ein Tool sie dabei unterstützen?
In einem kontinuierlichen Feedback-Prozess nimmt die Führungskraft die Rolle eines Coaches ein. Die Führungskraft kann sich somit darauf konzentrieren die Mitarbeitenden bei der Erreichung der Unternehmens- wie auch persönlichen Entwicklungsziele zu unterstützen.
Das Tool macht es dabei enorm einfach spezifisches und direkt anwendbares Feedback zu geben um die Mitarbeitenden in ihrer Zielerreichung zu unterstützen.
Was ist das häufigste Vorurteil oder Missverständnis in Sachen Feedbackkultur und Performance Review, das euch in Gesprächen mit Unternehmen begegnet?
Ein häufiges Missverständnis ist die Befürchtung, dass Mitarbeitende durch ein digitales Tool sich nicht mehr persönlich miteinander austauschen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.
Wenn kontinuierlich hilfreiches Feedback ausgetauscht wird, ist es umso einfacher regelmäßige und produktive Einzelgespräche mit Mitarbeitenden zu führen, da das Tool bereits den Großteil eines solchen Gespräches vorbereitet. Generell beobachten wir, dass mit Hilfe des Tools innerhalb der Unternehmen nicht weniger mündliches Feedback gegeben wird, sondern mehr. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass die Unternehmen sich ernsthaft mit Feedback auseinandersetzen und so die Feedback-Kultur entsprechend fördern.
Einblick in das Dashboard: Wie sieht meine Entwicklung aus? Worin bin ich gut, woran kann ich noch arbeiten?
Was würdest Du sagen sind die größten 3 Fehler, die man als Unternehmen in der Etablierung einer Feedbackkultur machen kann?
Wie bei so vielem beginnt alles mit der richtigen Kommunikation. Meines Erachtens ist es absolut entscheidend allen Mitarbeitern klar zu kommunizieren was das Ziel der “neuen” Feedback-Kultur ist und was sie für einen Nutzen daraus ziehen können. In diesem Fall also, dass sie durch gegenseitiges Feedback die Möglichkeit erhalten, sich ganzjährlich weiterentwickeln zu können und durch hilfreiches Feedback wiederum ihren Kollegen helfen können, das Gleiche zu tun.
Ein zweiter Fehler ist eine fehlende Ernennung von sogenannten “Vorbildern”. Also Mitarbeitende, die beim Aufbau einer Feedback-Kultur eine Führungsrolle einnehmen. Bei unseren Kunden sind das oftmals Führungskräfte, die regelmäßig proaktiv Feedback anfragen und anbieten, um den Ball ins Rollen zu bringen. Dabei ist es notwendig diese Führungskräfte mit dem nötigen Know-How auszustatten: Einerseits hilfreiches Feedback zu geben als auch mit dem erhaltenen Feedback umzugehen.
Als dritten Fehler würde ich das Fehlen eines regelmäßigem “Follow-Ups” bezeichnen. Der Feedback-Austausch wird noch wertvoller, wenn z.B. Führungskräfte das erhaltene und gegebene Feedback fortlaufend mit ihren Mitarbeitenden besprechen. Ein Tool ist dabei natürlich äußerst hilfreich, da der Feedback-Austausch jederzeit abgerufen werden kann.
Lieber Mischa, Danke Dir für Deine Zeit und den Einblick in die Feedbackkultur 4.0.
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