Was man als Führungskraft aus der aktuellen Regierungskrise lernen kann

Dieser Blogartikel sollte eigentlich ein ganz anderer werden. Aber es bringt ja nichts, das Jammertal noch weiter aufzumachen. Die wirtschaftliche Erholung wird zwar an den Aktienmärkten angepriesen wie die Bratwürste auf dem Dorffest – aber wir alle wissen doch, dass die größte Welle gerade losgerollt ist. Anstatt jetzt vom düsteren “Allgemeinversagen” von der Politik und Wirtschaft zu sprechen, kann man ja auch mal darauf schauen, was man aus dieser Misere momentan lernen kann. Ich finde: Gerade als Führungskraft kann man aus den aktuellen Geschehnissen einiges für die eigene Arbeit ableiten.

Viele Entscheidungs-Köche verderben den Brei.

Es soll ja Firmen geben, in denen mittlerweile in jede Mail 20 Menschen in „CC“ gesetzt werden, oder in denen jede Entscheidung immer von mindestens 10 Personen getroffen wird. Egal, ob es um Millionen-Investments geht oder um einen kleinen Rundbrief mit Osterwünschen an die Belegschaft.

Wenn aber in allen Themen immer sehr viele Menschen mitmischen, ist das gerade bei wichtigen und entscheidenden Themenkomplexen ein Problem. Sehr schnell kann eine Verantwortungsdiffusion entstehen. Am Ende führt dies dazu, dass niemand mehr seine eigene Unterschrift unter eine Entscheidungsvorlage setzen will. Und vor allem führt es dazu, dass Mitarbeiter*innen und Führungskräfte, die motiviert und engagiert sind, sich einen anderen Arbeitgeber suchen. Es verlassen also gerade die das Schiff, die man im unsicheren Fahrwasser als Unternehmen am dringendsten braucht: Menschen, die in einem bestimmten Rahmen alleine Entscheidungen treffen können und wollen.

Die Aussage, dass möglichst viele Leute zu einer besseren Entscheidungsfindung kommen können, ist mittlerweile auch überholt – zumindest was komplexe Probleme betrifft. Ist eine Pandemie nun ein komplexes oder einfaches Problem? Das überlasse ich mal eurer Einschätzung. (Ich sag mal so: Man überlege, das Virus würde nach dem Prinzip agieren: Bekommst du mich, bist du sofort tot.. ich finde das ein spannendes wie anstrengendes Gedankenexperiment.)
Eine Konsensentscheidung versucht eigentlich, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Gerade bei dem Thema Lockdown scheint das Thema des “gemeinsamen Nenners” aber irgendwie ad absurdum geführt.

Befragt man die Bevölkerung, sprechen sich sogar 32% mittlerweile für härtere Maßnahmen aus. Befragt man seriöse Expert*innen, schlagen diese nur noch die Hände über dem Kopf zusammen – Triage, harter Lockdown über mehrere Monate…all das ist mittlerweile keine Zukunftsmusik mehr. Was dann aber politisch entschieden wird, enthält mindestens zwei weitere Komponenten: Die Belange der Länderchef*innen und deren Peer-Group aus Wirtschaft und Politik aus den Städten und Gemeinden – und das eigene Kalkül in Bezug auf das Superwahljahr 2021.

Sich also in einer Entscheidungsfindung viele Seiten anzuhören und diese einzubinden ist zunächst ratsam. Dann sollte aber – auf Basis dieses Hintergrundwissens – eine Entscheidung getroffen werden, die am Ende auch zeitnah so umgesetzt wird. Je mehr Stakeholder mitmischen, desto langwieriger wird der Prozess. Es ist daher wichtig, sich genügend Zeit zu nehmen, die Stakeholder im Vorhinein zu sondieren und sorgsam auszuwählen. Dennoch sollte man als Führungskraft klar den “Entscheidungshut” aufbehalten, um auch bei Fehlentscheidungen gegensteuern zu können. Siehe Angela Merkels Entschuldigung an die Nation. Sie hat sich den Entscheidungshut an dieser Stelle einfach aufgezogen – auch gegen den Willen der Minister*innen. Dass das dann am Ende schief gehen könnte, war einkalkuliert. Aber immerhin wurde eine Entscheidung getroffen.

Du kannst als Führungskraft nicht alles wissen – und das muss so sein.

Sich Expert*innen einladen, sich zu Sachverhalten unterrichten lassen und Dossiers inhalieren – all das sind die Aufgaben eines/einer Minister*in. Aber auch die einer Führungskraft.
Als Jens Spahn seinen Job als Gesundheitsminister im März 2018 antrat, tat er das sicherlich in dem Wissen, dass Deutschland im Pflege- und Krankenhaussektor einige Probleme hat. Aber ganz bestimmt nicht mit der Aussicht, bald eine weltweite Pandemie zu managen. Nun hab ich die Personalie nicht so verfolgt in der Vergangenheit, kann mir aber vorstellen, dass Spahn sich vielleicht doch noch eher um einen anderen Ministerposten bemüht hätte, hätte er eine Glaskugel besessen. Klar ist: Er ist kein Mediziner und schon gar kein Virologe. Eigentlich ist Spahn ein Quereinsteiger. Er hat eine Lehre als Bankkaufmann absolviert und anschließend zwei Fernstudien im Bereich Politik drangehängt. Mit Zahlen kennt er sich also sicherlich schon einmal gut aus und auf dem politischen Parkett ganz sicher ebenso.

Gerade als Führungskraft, die mit sehr komplexen Themen und Fragestellungen betraut ist, ist es wichtig, sich ein hochkarätiges Team zusammenzustellen. Dabei sollte – gerade in High Performing Teams – Ehrlichkeit und ein gemeinsames Interesse daran, das beste herauszuholen, im Vordergrund stehen.

Um bei aller Schaffenskraft nicht im eigenen Silo zu ersticken, ist die Führungsposition so wichtig: Oft ist es die Führungskraft, die die Impulse aus den anderen Abteilungen und die Gesamtstimmung auffängt und sie an passenden Stellen an das Team spiegelt. So gewinnt das Team auch Sicherheit bezüglich der Außenwahrnehmung und bekommt auch vermittelt, dass die Führungskraft den entsprechenden Schutzrahmen gibt, in dem “ungestört” agiert werden kann. Mit “ungestört” meine ich nicht, dass jeder vor sich hin wurschtelt – sondern dass ein gewisser Freiraum entsteht, den jede*r nutzen kann, um entsprechend seiner/ihrer Kompetenzen die beste Arbeit hervorzubringen. Die Führungskraft ist in solchen Teams also nicht der “Shining Star” im Vordergrund sondern lediglich der/die Ermöglicher*in (Enabler*in).

Der Drang, sich auch mal mit fremden Federn zu schmücken – der ist neben der Politik aber eben auch in der Wirtschaft allgegenwärtig. Schließlich werden immer noch kaum die stillen Führungskräfte befördert, sondern die, die oft genug positiv (a.k.a. auch laut) gegenüber der Geschäftsleitung auffallen. Hier findet auch in der Wirtschaft leider erst langsam ein Umdenken statt. Dennoch wird man als Führungskraft ganz sicher glücklich sein, wenn man mit und in einem hoch motivierten Team arbeitet – die Lernkurve die man dabei auch selbst hinlegen kann, ist nicht zu unterschätzen und hilft bei weiteren Karriereschritten enorm. Es lohnt sich, das Vertrauen des Teams zu bewahren und es nicht durch überambitionierte Alleingänge oder Machtentscheidungen zu missbrauchen. Wie das nun im Falle der Merkel-Entscheidung genau gelaufen ist, werden wir wohl nie erfahren. So oder so: Eine „Sorry“ gehört heute einfach zur Grundausstattung integerer Führungskräfte.

Wie wichtig Vertrauen, Loyalität und Besonnenheit sind, zeigte auch der „geleakte Ausraster“ von Jens Spahn, in seiner Task-Force-Runde zum Schnelltest-Konzept. Direktinfos aus der nicht-öffentlichen Sitzung gingen schnurstracks an Boulevardjournalisten, die sich gierig auf den angeblichen Tobsuchtsanfall des Ministers stürzten. Was genau passiert ist: Auch hier wird man es wahrscheinlich nie ganz erfahren – aber klar ist: Der Ausraster war unangebracht und offenbar gefundenes Fressen für die ohnehin angenervten Wirtschaftsbosse. Wertschätzender Umfang, gewaltfreie Kommunikation und Fehlerkultur sehen wohl anders aus.

Du kannst nur Vertrauen geben, wenn du dir selbst vertraust.

Die Zeit der Schockstarre ist für die meisten Unternehmen vorbei: Jetzt wird wieder rangeklotzt. Am besten, auch im Büro. Da kann man dann auch wieder genauer verfolgen, was der oder die Einzeln*e so leistet, oder?
Viele Führungskräfte taten sich zu Beginn der Pandemie sehr schwer damit, den Führungsstil der Situation anzupassen. Kein Wunder, die Umstände waren und sind ja auch wirklich nicht leicht. Kitas & Schulen auf, Kitas & Schulen zu, Meetings im Büro mit Maske erlaubt, Meetings im Büro auch mit Maske eher unerwünscht. Die oft unzureichende digitale Infrastruktur und die wechselnden Bedingungen sind für Teams nach wie vor eine riesige Zerreißprobe. Unterschiedliche Lebensumstände, unterschiedliche Leistungsansprüche, ein unstetes Selbst- und Fremdbild – nie zuvor sind so viele, sonst sehr private Themen nach oben gespült worden. Und viele Führungskräfte sind damit bisweilen überfordert.

Kein Wunder, stehen wir Menschen doch alle vor der selben Belastung aus Unsicherheit, diffuser Hoffnung und Angst, die aus “wird schon wieder” und leiser Verzweiflung gespeist wird. Dieses “Hü und Hott” bekommen wir ja auch aus der Politik widergespiegelt. Kein wirklicher roter Faden, keine verlässliche Aussage über die nächsten zwei Wochen hinaus, so sieht die Realität für alle momentan aus. Nicht alles davon ist vermeidbar, das ist auch klar – aber wir alle merken: Das Denken in kurzfristigen Zeitzyklen ist auf Dauer sehr zermürbend.

Das gilt auch für Führungskräfte. Daher ist neben kurzfristigen Zielen ein langfristiges Geschäftsziel so wichtig. Kurzfristige Ziele sind momentan ja Schall und Rauch – Führungskräfte können zur Zeit häufig auch nicht länger als in 14-Tages-Zyklen denken, was das Tagesgeschäft betrifft. “Was brauche ich, was braucht mein Team, was braucht die Firma?” – all das sind Fragen, die an den Nerven zerren und die ansich wieder mehr Fragen aufwerfen, als dass man eine Antwort findet.

Daher ist eines sehr wichtig: Auf die Kräfte der eigenen Mitarbeiter*innen zu vertrauen, aber sich auch selbst abzugrenzen. Auch Führungskräfte haben keine befriedigende Antwort auf alle Fragen in diesen Zeiten – aber sie sollten den eigenen Entscheidungsspielraum nutzen dürfen. Gute Chef*innen wissen sehr genau, wie das eigene Team tickt. Wer gerade wie klar kommt und wie wem geholfen werden sollte. Das “Gießkannenprinzip” hat endgültig ausgedient, individuelle Lösungen sind gefragt.

Solltest du als Führungskraft momentan selbst Hilfe benötigen, dann äußere das auch gegenüber deines Teams und unbedingt auch gegenüber deines/deiner Vorgesetzten. Es gibt viele Möglichkeiten, dass auch Führungskräfte sich entlasten: Seien es Führungskreise, kollegiale Fallberatung oder Coaching. Du hast auch die Pflicht, auf dich selbst zu schauen – nur dann kannst du auch anderen viel geben.

Ich wünsche dir und deinem Team viel Kraft und Erfolg für die nächsten Monate und vor allem: Bleibt alle gesund! 

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2 Antworten zu „Was man als Führungskraft aus der aktuellen Regierungskrise lernen kann”.

  1. Wow, vielen lieben Dank für deine motivierenden Worte, Christopher! ich hoffe, dass ich dir noch mehr passende Informationen in meinen älteren und zukünftigen Beiträgen liefern kann, 🙂

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  2. […] vorbereitet in Personalgespräche gehst und die anderen Teilnehmer*innen ebenso dazu “zwingst”.Gerade Führungskräfte verlassen sich gerne auf ihre “Intuition” oder “Erfahrung”. Das ist schlicht gesagt sehr töricht, weil jedes Gespräch völlig anders […]

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