Es ist nun schon eine Woche her, dass der Berliner Verein #WIDI Women in Digital zu seiner Veranstaltung am 27.6. in die Deutsche Bank nach Berlin lud. Der Bericht folgt erst jetzt, weil ich im Urlaub meine Online-Kommunikation auf das Nötigste beschränke. 😉
Die Veranstaltung Unter den Linden stand ganz im Zeichen des Netzwerkens. Zum einen ist es ja auf Veranstaltungen ohnehin Ziel, mal ein paar frische Gesichter und Geschichten aufzuschnappen, zum anderen stand die gesamte Veranstaltung unter dem Motto „#FemaleEmpowerment – Trend, leere Worthülse oder Chance?“.
Bei den Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen, ging es um Netzwerken im Allgemeinen und um das Besondere am Netzwerken für, mit und von Frauen.
Women in Digital e.V. (gegründet von Tijen Onaran, die unter anderem nun auch Impulsgeberin bei Xing ist und dort einen guten Artikel zum Thema Netzwerken veröffentlicht hat), hat hierzu eine hochkarätige Podiumsdiskussion zusammen gestellt, die in ihren Statements stark war, aber dennoch leider ein wenig an der Oberfläche hängen blieb. Das lag aber weder an den Gästen, noch an der Moderation, sondern schlicht und einfach daran, dass zu wenig Zeit war.
In 4 Stunden einen Begrüßungsimpuls, eine Podiumsdiskussion und einen Abschlussimpuls unterzubringen, ist schon eine Leistung und nur durch stringente Moderation zu schaffen. Annett Möller, die man aus den RTL-Nachrichten kennt, die aber auch mit ihrem eigenen Fashionlabel erfolgreich unterwegs ist, meisterte diese Aufgabe mit viel Esprit und geschickt gesetzten Impulsen. Langweilig war mir und den anwesenden Frauen – darunter auch (neben dem Kamera- und Fototeam) ein Mann, jedenfalls nicht.
Mit Stefanie Salata (Vorsitzende der Geschäftsführung der Berliner Bank), Maren Freyberg (Partnerin und Geschäftsführung bei Dwight Cribb Personalberatung), Doris Brückner (stellv. Chefradakteurin/ Redaktionsleiterin bei Gala Digital), Gitta Blatt (EVP HR und Organisation bei Sky Deutschland GmbH) und Karla Paul (Verlagsleitung bei Edel AG), war das Podium interessant und vielfältig besetzt.
Zunächst wurde die Frage geklärt, weshalb solche Veranstaltungen überhaupt wichtig sind und wieso sich gerade Frauen im digitalen Bereich besser vernetzen sollten. Für Maren Freyberg von Dwight Cribb ist es ganz klar: Führungspositionen im Bereich Digitalisierung oder Digital Business werden nach wie vor überwiegend von Männern besetzt. Die Auftraggeber wünschen sich zunehmend ausdrücklich Frauen als potenzielle Kandidatinnen. Doch das ist mitunter gar nicht so einfach. Tun sich Frauen schwerer damit, sich zu vernetzen? Sind sie zu wenig präsent auf Plattformen und Events präsent? Sind Frauen an der Nicht-Präsenz auf Führungsposten, insbesondere im Digital Business, am Ende sogar selbst Schuld?
Netzwerken oder „der Weg ist das Ziel“
Klar wurde, dass sich viele Frauen schwerer tun als ihre männlichen Kollegen, wenn es um das Thema des Netzwerkens geht. Mal nach vorne gehen, sich was trauen und sich in die „männlichen Seilschaften“ einbinden – dazu gehört auch Mut und ein gewisser Grad an Biss. Frauen zerbrechen sich vielleicht generell mehr den Kopf darüber, wie sie wirken: „Kommt das nun doof rüber, wenn ich den oder die jetzt einfach anquatsche? Hält der oder die mich für nervig?“
Xing oder LinkedIn zu nutzen – zu meiner Überraschung ein ambivalentes Thema. Einige konnten bereits eine negative Bilanz in Sachen Online-Präsenz ziehen und haben sich konsequent aus diesen Netzwerken verabschiedet (Stichworte: Heiratsanträge statt Businessvernetzung oder LinkedIn als beseres Facebook). Schade eigentlich.
Einhellige Meinung herrschte unter den Diskutierenden darüber, dass Netzwerken nicht zur Last werden darf. Soll heißen: Es ist kein Leistungssport, seine Visitenkarten zu verteilen. Insbesondere wen es darum geht, sich einen Mentoren (oder Netzwerk-Sponsoren) zu suchen, sollte man schon ein gewisses Ziel vor Augen haben. Hinsetzen und darauf warten, sich berieseln zu lassen, kommt an dieser Stelle nicht so gut an – da waren sich alle einig. Seinem Wunsch-Mentoren einen 5-Jahresplan mit Meilensteinen hinzuknallen, ist aber eventuell auch nicht die beste Idee. Was also tun?
Wie wäre es mit: Einfach mal entspannt rangehen? Sich vorher zu überlegen, von wem man gerne in Sachen Karriere beraten werden würde und was man sich davon erhofft und diese Dinge dem Gegenüber klar zu formulieren, kann helfen. Und wenn eines gar nicht geht, dann ist es, Interesse nur vorzuheuchel.
Netzwerken sollte vor allem eines tun: Spaß machen. Wenn es zur Qual wird, macht man was falsch. Wenn man sich zweimal im Monat neue Visitenkarten drucken muss, sollte man seine Strategie eventuell ändern.
Und: Nichts ist schlimmer, als vollkalkuliertes Netzwerken mit der Frage im Hinterkopf, ob mir derjenige noch zu was Nutze sein kann. Bitte unbedingt merken und bleiben lassen!
Außenwirkung und die Sache mit der Kleidung
„Kann ich dieses und jenes auf die Arbeit anziehen? Sind die Schuhe zu hoch/ zu flach? Bin ich zu blond/ zu stark/ zu wenig geschminkt?“ Ziemlich oft kam an verschiedenen Stellen der Podiumsdiskussion, als auch im Abschlussimpuls von Antje-Kathrin Schumann von KPMG, das Thema der Außenwirkung auf.
Hier könnte schnell der Verdacht entstehen, dass es sich um eine oberflächliche Barbie-Diskussion handelt. Aber als Frau in einem von Männern dominierten Bereich, könnten einem diese Gedanken sicherlich bekannt vorkommen. Leider war ja kein Mann an der Podiumsdiskussion beteiligt, den man zu seiner Sichtweise hätte befragen können. Für Frauen scheint der Dresscode jedenfalls ein Thema zu sein, dem sie sich von Seiten der Männerwelt ausgesetzt fühlen.
Der „Witz“ dabei ist aber: Für viele Frauen spielt das Thema der Kleidung und des Aussehens in der Bewertung untereinander eine genauso große Rolle. „War ihr Rock nicht viel zu kurz?“, „Die Lippen hätte sie sich aber auch mal dezenter schminken können!“ – Bitte jetzt „hier“ schreien, wer noch nie solche Gedanken hatte. Wer sich ertappt fühlt: kein Problem. Es ist nur allzu menschlich, dass wir erstmal bewerten bzw. in Kategorien einsortieren. Schwierig wird es aber dann, wenn das Aussehen oder der Look zum Nachteil ausgelegt wird. Dann kann man von Sexismus, Lookismus oder Rassismus sprechen (Ein schönes Beispiel hierzu hat ja leider PwC geliefert). Und man sollte mal nicht davon ablenken, dass gerade diese negativen Diskussionen auch und gerade unter Frauen statt finden.
Es gab hier also viel Redebedarf in Sachen Styling: Wer kam heute wie angezogen her ? (Antwort: So wie man sich wohl fühlt, weil „wir sind ja unter uns“.) Und wurde sich dazu Gedanken gemacht? (Antwort: Ja.) Und bringt das Kopf zerbrechen über die Stylingfrage wirklich was? (Antwort: Nein).
The message is: Es gibt an der Stelle keinen universellen Ratschlag. Man sollte sich aber als Frau darüber bewusst sein, dass man sicherlich eine gewisse Ausstrahlung erzielen kann, je nachdem, wie man sich kleidet. Ob einem das nun schnurz ist oder nicht, ist natürlich nochmal eine andere Frage. Gitta Blatt hatte sich ohnehin für Jeans entschieden und in Berlin geht ja sowieso alles.
Back to Inhalt: Wie geht das eigentlich mit dem „Karriere machen“?
Irgendwie bin ich nun Gitta-Fan (Sky hatte den Hashtag #gogitta also nicht umsonst ins Spiel gebracht!). Zum einen, weil sie sich zum Event für Jeans entschieden hatte, zum anderen, weil Gitta Blatt einen Satz parat hatte, der mir als HR’ler das Herz höher schlagen ließ: „Fit over Skill: Nicht nur das WAS, sondern auch das WIE zählt!“
Will meinen: In Sachen Karriere sollte nicht nur das Thema im Vordergrund stehen, ob jemand etwas besonders gut kann (im technisch-inhaltlichen Sinne), sondern es sollte auch der Blick darauf gerichtet sein, wie jemand sein Wissen zur Anwendung bringt und implementiert. Um es kurz zu sagen: Ist der- oder diejenige in der Lage, Andere für die eigenen Dinge und Ideen zu begeistern, Freiraum zu geben und gemeinsam mit Anderen noch bessere Wege zu entwickeln? Oder hortet der- oder diejenige lieber das Wissen und drückt die eigenen Ideen gegen Widerstände und auf Teufel-komm-raus durch?
Mir ging sofort der Satz durch den Kopf, den ich als Personalentwicklerin sehr gerne sage: „Nicht jeder, der fachlich gut ist, ist auch in der Lage, ein Team zu führen“. Die HR’ler werden nun nicken und denken:“Ist ja klar!“. Aber so klar ist es eben doch leider oft nicht. Und noch ein weiterer Gedanke dazu: Die Kehrseite der Frauenquote kann auch bedeuten, dass man gar nicht DEN geeignetsten Kandidaten , sondern DIE „geeignetste“ einstellt. Ohne genau hinzuschauen, ob das bedeutet, dass man einen geeigneteren männlichen Kandidaten Außen vor lässt. Diskriminierung auf neuem Level, die „Metadiskriminierung“ sozusagen. Heißes Eisen und auch darüber hätte man sicherlich tagfüllend sprechen können.
Die Sache mit der Solidarität und dem Konfrontationskurs
#WIDIEmpowerment war an diesem Tag auf Platz 2 der deutschen Twittercharts und damit gleich hinter #TeamGinaLisa – gleich zwei Hashtags zum Thema Loyalität und Soldiarität unter Frauen.
Dass das Thema Solidarität unter Frauen insbesondere im beruflichen Umfeld durchaus ausbaufähig ist, wurde in der Podiumsdiskussion auch kurz unter „Stutenbissigkeit“ subsummiert. Was ist eigentlich, wenn die Frauen, die sich ihre Karriere und ihren Posten hart erkämpfen mussten, gar keine Lust haben, anderen Frauen den Weg zu bereiten? Frei nach dem Motto: Ich hab mich doch hier jetzt nicht so angestrengt und hochgebuckelt, damit DIE das alles zum Nulltarif bekommt!
Fand ich eine interessante Side note, zumal ich auch im Get-Together an einer Stelle das Gefühl hatte, dass ich als Frau als schwach gelte, sobald ich von eigenen beruflichen Erfahrungen berichte, die nicht durch Womanpower geprägt waren.
Ich finde Stutenbissigkeit zwischen Frauen genauso verwerflich, wie das Abfahren eines unbedingten Konfrontationskurs gegenüber Männern. Gleichberechtigung und Feminismus sollten in meinen Augen keine Einbahnstraße sein.
Ich arbeite in einer Struktur mit 80% Männeranteil, der Altersdurchschnitt liegt bei weit über 45 Jahren. Dass ich da nicht bei jedem Mann, der mir erstmal auf der Basis des Papas oder Oberlehrers begegnet, das ganz große Fass aufmache, geschieht aus Selbstschutz und aus Langweile. Ich habe a) keine Lust, unnötige Energie zu verschwenden und b) kenne ich das „Schema F“ an dieser Stelle schon. Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein und ich kann ja niemanden dazu zwingen, seine Ansichten zu ändern.
Die jüngeren Generationen von Mitarbeitern wie Führungskräften bringen schon von Haus aus ein völlig anderes Mindset mit. Es ist normal, dass beide Eltern arbeiten, es ist selbstverständlich, dass Frauen erwerbstätig sind und Führungspositionen einnehmen – auch dann wenn sie jünger sind. Die ganzen Gründerinnen vor Ort waren ja das beste Beispiel von Empowerment.
Dass das noch nicht in allen Etagen von Konzernen und Mittelständlern angekommen ist, ist halt schade, aber es wird ankommen. Vielleicht mit mehr Verzögerung, aber einen Wettbewerbsnachteil will und kann sich keiner mehr leisten.
Weiterhin spannend und bleibt das Thema, ob und wie Führungspositionen in Deutschland vereinbar mit Familie oder Kinderwunsch sind. Dies wurde auch kurz in der Podiumsdiskussion angerissen. Ausführlicher habe ich mir hier schon Gedanken dazu gemacht.
Raus aus der Genderecke und rein in Diversity!
Women empowering Women – klingt gut. Und zu Recht fragt man sich da: Und was ist mit den Männern?
Wie eingangs erwähnt, ist #WIDI e.V. nicht mit dem Zweck gegründet worden, das Matriarchat auszurufen. Obwohl es das mit den Teilnehmerinnen, die vor Ort waren, sicher locker könnte ;). Vielmehr geht es darum, Attention zu generieren und sich gegenseitig Mut zu machen. Alle waren sich einig: Es reicht nicht, sich nur in der eigenen Gendergruppe zu bewegen. Vielfalt ist das Thema – auch wenn es darum geht, sich ein Netzwerk zu schaffen oder sich Feedback einzuholen. Und hier ist es neben der Gendervielfalt auch das Thema der Altersdiversität wichtig.
Hier habe ich mich schön dabei ertappt, wie ich eher nach meiner Altersgruppe Ausschau hielt, wenn es um die Vernetzung auf der Veranstaltung ging. Dabei ist das ja totaler Quatsch. Der Mix macht’s ganz klar an dieser Stelle. Aber nunja…die eingetrampelten Pfade und so…
Schön fand ich auch den Impuls einer Teilnehmerin, die oft auf Tech-Veranstaltungen präsent ist und dort als die schöne Sonderling(in) wahlweise gefeiert oder gefürchtet wird. Ihre Idee: Wieso geht man mit den vielen Frauen, die sich zu WIDI-Events treffen, nicht einfach mal auf diese (bisweilen recht exklusiven Männer-) Veranstaltungen, um das Programm mal ein bisschen aufzumischen?
Tolle Idee, die hoffentlich Umsetzung findet!
Toll fände ich auch, wenn man die Podiumsdiskussion um einen oder zwei Herren erweitert hätte, die mit dem Genderthema entspannt umgehen und aus ihrer Sicht berichten. Wenn wir den „Schutzraum“ dieser Veranstaltung Frauen gegenüber bieten, dann sollte das auch für Männer gelten dürfen. Das Anliegen des Vereins ist ein richtiges und wichtiges: Frauen in digitalen Berufen/ Umgebungen zu fördern und zu fordern, aber sich dazu Impulse von Männern zu holen, wäre in meinen Augen eine anzustrebende Idee. Und positiver Nebeneffekt: Es würde der Sichtbarkeit enorm gut tun. Ich glaube, dass man sich als Mann gerne damit schmückt, auf eine reine Frauenveranstaltung eingeladen zu werden. Irgendwas scheint man ja dann richtig gemacht zu haben.
Fazit
Die vier Stunden der Veranstaltung vergingen einfach wie im Flug. Es gab interessante Einblicke und Gespräche davor, währenddessen und danach. Ich habe die Gelegenheit auch gleich genutzt, um mein Netzwerk zu erweitern und freue mich über die neuen Kontakte.
Danke an #WIDI e.V. für die Einladung und ich hoffe, dass das Netzwerk und die Mitgliederzahl stetig wächst. Wer sich persönlich oder sein Unternehmen anmelden möchte, kann das hier tun.
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