Ein Programmierer berichtet über seine Sicht auf Direct Search
Guestblog von Sergej Zimpel
In Zeiten, in denen die Bewerbungen nicht mehr von alleine zuflattern und die Kandidatensuche keine one-way-Show mehr ist, verlassen sich die meisten Unternehmen nicht mehr auf Jobportale.
Direktansprache ist längst kein Next Big Thing-Thema mehr, sondern bei den meisten Unternehmen schon im Standard-Recruiting Kanon angekommen. So gaben 2015 46% der befragten Personaler an, Direktansprache im Recruiting zu nutzen.
Für die potenziellen Kandidaten ist das natürlich eine recht komfortable Situation. Keine Suche auf Jobportalen, keine umständlichen Bewerbungsprozesse – die Jobangebote landen (auch ungefragt) einfach im Postfach.
Ansprachen über soziale Netzwerke sind bei den Bewerbern auch gar nicht mal so unbeliebt. 81% der befragten ITler gaben an, auf Xing und LinkedIn von Headhuntern kontaktiert werden zu wollen. Allerdings führt diese Entwicklung auch dazu, dass gefragte Kandidaten so viele Ansprachen von Personalern bekommen, dass sie diese vermehrt als Spam wahrnehmen.
Wie können Recruiter die Kandidaten trotz Nachrichtenflut erreichen? Was führt dazu, dass ein Kandidat eine Nachricht überhaupt öffnet? Da wir diese Fragen nicht aus HRler-Sicht beantworten können, habe ich meinen ehemaligen Kollegen Alberto kontaktiert und ihn um ein kurzes Interview gebeten.
Alberto ist PHP Entwickler und nimmt an dem CTO-Programm von Project A teil, das erfahrene Entwickler zu CTOs ausbildet.
Hallo Alberto, wir kennen uns ja aus meiner Zeit bei Project A. Ich weiß natürlich, dass Du dort sehr glücklich bist und Dich von uns Recruitern nicht abwerben lässt. Umso netter finde ich es von Dir, dass Du uns ein paar Insights auf die “andere Seite” der Direktansprache gibst.
Na klar, gerne.
Wie oft wirst Du denn so angeschrieben?
Das kommt stark auf die Woche an, aber im Durchschnitt 2-3 mal die Woche. Allerdings hat das gefühlt in letzter Zeit abgenommen.
Woran merkst Du, ob ein Recruiter sich mit deinem Profil auseinandergesetzt hat?
Leider merke ich häufiger das genaue Gegenteil. Wenn mir ein Recruiter eine Stelle anbietet, die entweder überhaupt nicht zu meinem Profil passt oder die angebotene Stelle weit unter meiner jetzigen Stelle rangiert, dann antworte ich aus Prinzip nicht.
Ein Punkt ist ja auch sicher der Ton in der Ansprache: Findest Du ein professionell-distanziertes Anschreiben gut oder findest Du eine Ansprache im lockeren Ton besser?
Ich persönlich mag es, in einem lockeren Ton angesprochen zu werden. Allerdings gibt es dabei auch Grenzen, es geht schließlich immer noch um ein Jobangebot und nicht um die Planung des nächsten Karibikurlaubs.
Findest Du es besser geduzt oder gesiezt zu werden?
Ganz klar das „Du“, aber für mich ist es auch kein Beinbruch mit „Sie“ angesprochen zu werden. Allerdings erzeugt ein „Sie“ deutlich mehr Distanz und ich überlege mir dabei schon, ob in der Firma das Sie üblich ist und die Kollegen sehr distanziert miteinander umgehen. Eine solche Arbeitsatmosphäre ist nichts für mich und ich würde eine solche Firma nicht in Betracht ziehen.
Was war der bisher nervigste Kontakt?
Ein Recruiter, der mir eine Stelle als Junior angeboten hat und mich jede Woche aufs neue angeschrieben hat um nachzufragen, ob ich mich eventuell umentschieden habe. Die Spitze der Dreistigkeit war, dass er gefragt hat, ob ich eventuell einen Kollegen weiterempfehlen kann.
Quelle:http://recruitingdaily.com/wp-content/uploads/sites/6/2014/12/spam.png
Gab es auch ein Anschreiben, was Du richtig gut gefunden hast?
Da habe ich jetzt kein spezielles im Kopf. Für mich enthält ein gutes Anschreiben immer die Information, um welche Firma es geht, sodass ich mich auf einschlägigen Portalen bereits vorab informieren kann, um welche Position es sich genau handelt und was ich davon zu erwarten habe. Vor allem wenn man mir eine spannende Aufgabe in Aussicht stellt, hat man mich quasi am Haken.
Wie entscheidest Du, ob Du eine Nachricht überhaupt öffnest?
Per se öffne ich jede Nachricht und überfliege sie zumindest. Eine klare Headline erhöht die Chance, dass ich die Nachricht sofort öffne.
Was ich nicht mehr sehen kann, sind ein Betreff wie “Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung”, vor allem weil es dann zumeist im folgenden Text um eine Stelle geht, die keine echte Herausforderung bietet.
Beantwortest Du Nachrichten? Und wenn: welche?
Das kommt sehr stark darauf an, wann ich die Nachricht erhalte. Am Abend habe ich meist die Zeit sofort zu antworten und tue dies auch, – wenn die Nachricht freundlich formuliert wurde und ich erkennen kann, dass zumindest der Aufwand betrieben wurde, sich mein Profil anzuschauen und darauf Bezug zu nehmen.
Wie oben schon erwähnt, strafe ich Angebote, die absolut nicht auf mein Profil passen oder unfreundlich sind, einfach nur mit Nichtachtung.
Und was hältst Du davon, wenn Recruiter das zu erwartende Gehalt reinschreiben?
Ich persönlich finde das super. So weiß ich sofort, an was ich bin. Allerdings setzt das von vornherein einen Rahmen, in dem die Gehaltsverhandlung stattfindet und kann damit auch einen potenziellen Bewerber vergraulen.
Viel wichtiger als das Gehalt ist für mich allerdings zu wissen, was auf mich zukommt und wie das meiner eigenen Weiterentwicklung förderlich sein kann. Eine spannende Aufgabe ist für mich viel wichtiger als 100€ mehr im Monat.
Gibt es noch etwas, was Du Recruitern schon immer sagen wolltest?
Macht euch bitte Gedanken, warum ihr einen Kandidaten anschreibt und was ihr ihm bieten könnt, dass er einen Wechsel überhaupt in Erwägung ziehen sollte. Meiner Meinung nach sind die Zeiten von Massenanschreiben vorbei, wenn ihr echte Talente ansprechen wollt.
Was beudetet das also für uns Recruiter?
* Massenanschreiben sind nicht effektiv, da sie relativ viel Zeit benötigen und Kandidaten für zukünftige Ansprachen verbrannt werden
* Recruiter müssen sich mit den Motiven und Erfahrungen ihrer Kandidaten auseinandersetzen und sich sicher sein, dass sie wirklich eine Weiterentwicklung anbieten können.
* Dafür müssen sie den Markt kennen und wissen, welche Unternehmen, Technologien und Perspektiven für ihre “User” interessant sind
* Qualitativer, personalisierter Content ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Recruiter müssen sich auch Gedanken machen, wie sie sich schon in der Überschrift kreativ von der Konkurrenz abheben können

Über Sergej Zimpel:
Sergej ist erfahrener Recruiter und Rundum-HRler mit einem Herz für Techies. Nach Stationen bei verschiedenen Startups und VCs (zuletzt Project A), hat er den Sprung in die Konzernwelt gewagt. Bei der ProSiebenSat.1 Media SE ist er als Recruiting Manager für den Berliner Standort verantwortlich und sucht dort u.a. nach Tech-Talenten. Zudem ist er Gründungsmitglied und Vorstand der Purple Squirrel Society e.V. – einem Verein, der sich für moderne Personalarbeit einsetzt und HRler untereinander vernetzt.
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