Ich wurde letztens zu einem Lunch eingeladen. Ein Mitarbeiter einer Firma wünschte sich, dass ich seinem Geschäftsführer mal erkläre, warum HR wichtig ist. Ich fand die Idee witzig und dachte mir: Warum nicht…mal gucken, was mich erwartet.
Es war ein wirklich leckeres Essen und auch ein gutes Gespräch. Wir sind dann beide zu dem Ergebnis gekommen, dass er eigentlich kein HR braucht – weil er nichts abgeben möchte aus der Geschäftsführung. Von Personalsuche bis Arbeitsverträge erstellen bis Onboarding – alles wird entweder auf GF-Ebene oder von den Teamleitern erledigt.
Die Kulturarbeit: Kein Problem, liegt bei den Teamleitern und der internen Kommunikation.Ansprechpartner bei Problemen oder Unstimmigkeiten: “Also wir haben alle ein Vertrauensverhältnis. Die können ja auch zu mir kommen…”.
Es ist natürlich toll, dass die Teamleiter und die Geschäftsführung ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. Aber ich habe aus den (teilweise auch gegensätzlichen) Erzählungen zwischen Geschäftsführung und dem Mitarbeiter, der das alles initiiert hatte, den Eindruck gewonnen, dass jeder in seiner Welt verharrt. Und dass man über Probleme einfach nicht gerne spricht. Die sind da, um gelöst zu werden. Oder um zu verschwinden.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich für meinen Personaler-Job eine Menge Herzblut habe. Unter „normalen“ Umständen, hätte ich evtl. etwas vehementer argumentiert. Da ich aber seit Dezember “die Seiten gewechselt” habe und aus dem operativen HR-Geschäft raus bin, war das meine ultimative Probe. Berufsehre hoch halten, aber auch loslassen im Gespräch. Letzteres fiel mir immer noch nicht leicht, aber es ging schon deutlich besser.
Warum ich euch das jetzt schreibe? Loslassen kann ich natürlich nicht. 😉 HR ist meine Leidenschaft und ich kenne so viele tolle Personaler, die “den Laden zusammenhalten“. Ich finde es einfach schade, dass der Wert von umfassender Personalarbeit gerade bei jüngeren Gründerinnen und Gründern oder auch älteren Erstgründern noch nicht angekommen ist.
Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Der eine vertraut vielleicht sich selbst am meisten, die andere hat vielleicht vorher nur schlechte Personaler erlebt. Oder sie haben einfach noch nicht den oder die Richtige HR gefunden, der oder die ihre Firma voranbringt und können daher die Tragweite der Rolle nicht einschätzen.
Aber ab wann merkst du als Gründer eigentlich, dass du eine HR-Abteilung brauchst? Ich habe mir dazu mal ein paar Gedanken gemacht:
5 Anzeichen, dass du eine HR-Abteilung brauchst.
1. Anzeichen: Du besetzt mehr als 5 fachspezifische Stellen pro Jahr.
„Hä „nur“ 5 Stellen?!“ Ich spreche hier ganz bewusst nicht von einem Hypergrowth. Die Unternehmen, die damit konfrontiert sind, stellen sich ohnehin als erstes HR und Recruiter ein, beziehungsweise werden von den Investoren dazu verpflichtet.
Selbst wenn du ein eigenfinanziertes Unternehmen führst und eher agil auf Anforderungen deines Geschäfts reagieren musst, solltest du deine Zeit als CEO nicht mit der Personalsuche verbringen. Du solltest mehr Zeit dafür haben, das Personal mit Bedacht auszuwählen (im zweiten Schritt) und dir zu überlegen, wie du das Geschäft weiter aufbaust.
Natürlich kannst du auch alle Gespräche alleine führen. Aber wie wäre es, wenn du dir jemanden einstellst, der bereits mehr Auswahlgespräche als du geführt hast und dir gleich einen tollen Prozess inklusive validen Instrumenten aufbaut?
Nicht jedes Vorab-Gespräch und jede Ansprache müssen über den Geschäftsführer laufen. Ein guter HRler oder Recruiter bringt dir auch gleich ein gutes Netzwerk mit und geht auch in der direkten Ansprache der Kandidaten umsichtig und KPI-getrieben vor. Er oder sie weiß, welche Ausschreibungen auf welchen Kanälen performen und wo du dir dein Geld lieber sparen kannst.
Du musst dich nicht um Terminabsprachen und Einladungsschreiben kümmern und auch bei deiner Assistenz “rutscht nichts mehr durch” (er oder sie hat ja auch eigentlich eine andere Aufgabe). Du hast mit HR nun jemanden, der dafür brennt, den Kandidaten von Anfang an ein gutes Erlebnis zu bieten. Und der auch dich brieft und dabei unterstützt, wie du noch bessere Recruiting-Gesprächen führe kannst!
Außerdem willst du deine neuen Mitarbeiter ja auch halten. HR hilft dir dabei, Entwicklungswege und -programme aufzubauen, damit deine Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können. Das spart dir dann auch ganz nebenbei Rekrutierungskosten für Spezialisten-Stellen. Du baust dir diese einfach Inhouse auf!
2. Anzeichen: Du verbringst als Geschäftsführer Zeit mit operativen HR-Aufgaben.
Arbeitsverträge ausstellen und anpassen, rechtliche Gegebenheiten im Auge behalten, Urlaubstage verwalten, die Lohnbuchhaltung vorbereiten, Werkstudenten-Stati klären…willst du das wirklich alleine tun als Geschäftsführer? Hast du dafür die Zeit? Willst du sowas wirklich dem Praktikanten übergeben?
Ein guter Personaler kann dir auch diese Dinge gewissenhaft abnehmen. Er oder sie hat die aktuellen Gesetzgebungen im Blick und kann dich und die Teamleiter beraten, ohne dass du jedes Mal 200 Euro für eine Rechtsberatung beim Arbeitsanwalt abdrücken musst. Auch bei eher verzwickten Fällen kann dir ein erfahrener Personaler gute Gesprächsleitfäden zusammenstellen und die Gesprächsabläufe gemeinsam mit dir entwickeln.
So kannst du dir auch so manchen Gang vor das Arbeitsgericht sparen. Du hast dann jemanden an der Seite, der den Kompromiss zwischen Unternehmens- und Mitarbeiter-Interessen so finden kann, dass es beiden Seiten möglichst wenig weh tut.
Und ja: Das wirst du mit einer Junior-Stelle im HR nicht wirklich bekommen. Daher würde ich dir unbedingt raten, die Abteilung mit einem erfahrenem Personaler aufzubauen. Egal, aus welcher Richtung er oder sie kommt. Ja, das kostet dann „erstmal“ mehr. Aber der Benefit ist dann, dass du jemanden hast, der aus seiner Erfahrung schöpfen und dir die Dinge viel schneller realisieren kann.

3. Anzeichen: Du möchtest die Produktivität in deinem Unternehmen steigern.
HR is not just paperwork. Als Personaler arbeitet man den ganzen Tag mit dem gesamten Unternehmen. Zumindest, wenn man den Job ernst nimmt. Man hat sein offenes Ohr überall: An der Geschäftsführung, an den Mitarbeitern, an den Teamleitern, an den Dienstleistern…so kann man viel Wissen “im Kleinen” aufbauen und auch Geschäftsinteressen besser durchsetzen.
Manchmal sind es diese kleinen operative Dinge, die nach verbesserter Umsetzung Zeit und Geld sparen. Manchmal können mit diesem Wissensschatz aber auch größere Räder gedreht werden, wie Veränderungen in der Organisationsstruktur.
Ein guter Personaler sieht sich auch immer im Schulterschluss mit Operations beziehungsweise der Geschäftsführung. Und das beginnt schon mit der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Ein gut ausgewählter, gut ongeboardeter und gebriefter Mitarbeiter wird ganz automatisch deine Produktivität steigern.
Für den Teamleiter aus der einzelnen Abteilung ist es oft aber gar nicht möglich, einen übergeordneten Blick auf die Dinge zu haben. Das Interesse des Teamleiters wie der Geschäftsführung ist natürlich, dass jeder Mitarbeiter sein bestes gibt. Steine aus dem Weg zu räumen, die das verhindern, ist auch die Aufgabe von HR.
Insbesondere dann, wenn neue Abteilungen hinzukommen oder das Team diverser wird, läuft eine gute HR-Abteilung zur Hochform auf. Das wirst du jeden Tag merken, wenn du das Office betrittst oder deine Mails öffnest. Mit viel neuem Input und Ideen wird dein Unternehmen fit für die kommenden Herausforderungen gemacht. Ein guter Personaler macht im positiven Sinne „gemeinsame Sache“ mit den Teamleitern oder auch den Mitarbeitern, ohne die Geschäftsinteressen zu vergessen. So findet man oft spannende Kompromisse oder Diskussionsgrundlagen, auf die du als Geschäftsführung weiter aufbauen kannst.
4. Anzeichen: Du möchtest Mitarbeiter, die ihren Job mit Leidenschaft tun.
Als Geschäftsführer bist du die DNA und der Kern des Unternehmens. Entweder würde es das Unternehmen ohne dich gar nicht geben, oder nicht mehr geben – oder es würde NATÜRLICH niemals so gut laufen. 😉
Klar, du hast dir deine ersten Mitarbeiter handverlesen. Aber glaube mir: wenn du wachsen möchtest, dann wird das handverlesen immer schwieriger für dich. Die Firma braucht dann einfach andere Entscheidungen von dir.
Insbesondere wenn es schon Teamleiter gibt, solltest du dich aus der Auswahl neuer Mitarbeiter ein Stück weit zurückziehen. Wenn du Punkt 1 aufmerksam gelesen hast, dann weißt du ja schon, dass du dir keine Sorgen mehr darum machen musst loszulassen, wenn du einen guten Personaler gefunden hast.
HR kann dich aber auch bei der Ausbildung der gesamten Unternehmenskultur unterstützen. Gerade dann, wenn du bereits Abteilungen aufgebaut hast, wird es unvermeidlich, dass sich dort eigene Kulturen ausbilden. Jeder hat seinen Teilbereich – klar, man arbeitet auch zusammen – aber versteht wirklich jeder das “große Ganze”?
Das Thema “Purpose”, also einen Sinn in der Arbeit zu finden, wird auch in Zukunft immer wichtiger. Die Mitarbeiter können sich heute aussuchen, wo sie arbeiten. Daher ist eine integrierende und immer wieder erlebbar gemachte Unternehmenskultur so wichtig. Und mit Unternehmenskultur meine ich nicht den Ausflug in die Bar oder der Spieleabend einmal im Monat. Es geht vielmehr darum, dir und deinem Unternehmen eine DNA zu geben, die von allen in deiner Firma mitgestaltet und mitgetragen wird.
Dieser Purpose kann deine Firma dann auch und gerade durch unsichere Zeiten begleiten. Wenn du einen HRler mit Change Management-Erfahrung hast, hast du eigentlich den Jackpot gezogen. Die Fähigkeiten wirst du so oft einsetzen können, dass du sie ganz sicher nicht mehr missen möchtest.

5. Anzeichen: Deine Mitarbeiter und Teamleiter fragen aktiv nach einer HR-Rolle.
Spätestens dann, wenn dich Teamleiter oder Mitarbeiter darauf ansprechen, dass sie sich eine HR-Rolle wünschen, solltest du wach werden. Offensichtlich gibt es dann eben doch den Wunsch nach einer Stelle, die die Brücke zwischen den Interessen der Mitarbeiter, der Abteilungs- oder Teamleiter und der Geschäftsführung bildet. Und genau DAS macht eine gute Personaler-Rolle aus!
Ich weiß, es ist schwer loszulassen an einigen Stellen, aber du wirst dir mehr Raum und Zeit für andere Dinge nehmen können, die das Geschäft wirklich weiterbringen. Ein gut ausgebildeter Personaler wird dir Vorschläge präsentieren und mit dir geschäftsentscheidende Themen diskutieren wollen. Darauf musst du aber auch Lust haben. Ansonsten wird es für beide Seiten wahrscheinlich eine eher enttäuschende Zusammenarbeit.
Falls du noch mit der HR-Rolle haderst, kann ich dir wirklich empfehlen, dich auf die Suche nach einem Interims- oder Freelance-HRler zu machen, der dir bestimmte Prozesse aufbaut. Klar, der ist ein wenig teurer, aber dafür hat er oder sie viele Erfahrungen in unterschiedlichen Unternehmen gesammelt. Noch nachhaltiger ist es natürlich, wenn du dich auf die Suche nach einem fest angesellten HRler machst. Aber auch dabei kann dir ein guter Freelancer helfen.
Glaub mir: Wenn du einmal eine gut funktionierende HR-Abteilung aufgebaut hast, wirst du sie nicht mehr missen wollen. Und da spreche ich aus eigener Erfahrung! 🙂
Kommentar verfassen