Länger habe ich überlegt, dass ich etwas dazu schreiben möchte. Sollte, muss. Leicht gefallen ist es mir dennoch nicht. Es sind halt sehr schwierige und auch subjektive Themen, die man da anreisst. Frauenquote, Diskriminierung, Belästigung, #metoo… irgendwie kam dann plötzlich einiges zusammen.
Aber Moment mal: Wie subjektiv ist das alles eigentlich? Ich lasse es mal auf ein Experiment ankommen.
Eigentlich pfeifen es doch die Spatzen von den Dächer: Irgendwas stimmt doch nicht im HR-Land. Ich werde ziemlich oft gefragt: Warum gibt es eigentlich so weniger HRlerinnen, die bloggen? Warum werden überwiegend Männer als Speaker, Moderatoren, Kommentatoren gebucht? Warum muss man sich als Frau eigentlich gefühlt doppelt anstrengen, um ernst genommen zu werden? Warum bekomme ich als Frau nicht die selbe Aufmerksamkeit für kluge Aussagen, wie mein Kollege?
Ich habe darauf meistens auch keine schlaue Erklärung parat. Ich frage mich folgendes:
Warum empfinden es viele auch im Jahr 2017 irgendwie etwas „drüber“, wenn man sich über klassische Männerrunden aufregt, die medienwirksam diskutieren, als hätten nur sie die Fachkompetenz mit Löffeln gefressen? Warum muss das dann immer erst eine Frau kommentieren, dass das doch irgendwie komisch ist, dass in dieser und jener Runde gar keine Frau vertreten ist? Und warum wird dann heimlich mit den Augen gerollt? Auch von anderen Frauen übrigens…
„Emanze, Männerhasserin, empfindlich, hat ihre Tage, hysterisch…na also das mag ich nun auch nicht sein oder als selbige gelten. Deshalb bin ich lieber still. Ich hab ja gar nichts gegen Männer!“.
Wir sind in 2017 und selbst die Schönheitsköniginnen in Peru entscheiden sich dazu, lieber die Zahlen der weiblichen Gewaltopfer zu nennen, statt ihre Körpermaße mit tapferem Lächeln ins Mikro zu hauchen. Weil es sonst nämlich niemand macht.
Frauen überall auf der Welt reden nun offen darüber wie es war und ist, sich als das schwächere oder minderwertigere Geschlecht fühlen zu müssen. Sie werden dafür ausgelacht, angefeindet, beschimpft, nochmal gedemütigt.
Gleichzeitig erzählen wir unserer Jugend, dass sie alles werden und alles sein können. Wir versuchen Mädchen und junge Frauen für die MINT-Karriere zu begeistern und tun so, als würde es Diskriminierung und Chancenungleichheit nicht mehr geben.
Und ja, das tun wir ja auch als HRler. Frauen in Tech: Sexy. Männer in Tech: Nerds. Diskriminierender für beide Geschlechter geht es auch kaum. Bin schon gespannt, was dann noch dazu kommt, wenn es endlich ein drittes Geschlecht geben wird.
Ich habe in meiner Karriere bisher einige schlaue Männer, hetero- wie homosexuell kennengelernt, von denen ich mir gerne und viel abschaue, von denen ich lernen wollte und möchte und die mich mit dem selben Respekt und Achtung behandelt haben und behandeln, wie ich ihnen entgegen bringe.
Genauso wie ich intelligente Frauen kennenlernen durfte. Alle haben in ihren starken und schwachen Momenten eines gezeigt: Sie sind halt einfach Menschen. Menschlich. Und am Ende geht es uns allen mal super und mal scheiße. Passiert. Normal halt.
Ich habe leider auch Männer wie Frauen kennengelernt, die ein „Nein“ nicht verstehen, die mal testen, wie weit sie gehen können. Auch ganz „harmlos“ im Berufsalltag – da muss es nicht immer eine offensichtlich anzügliche Bemerkung sein.
Not the two of us. We won’t make it but you’ll try…
Oft reicht es eben, wenn man als Frau signalisiert: Nice story, aber interessiert mich nicht. Oder wenn sie eine eigene Meinung hat, die am Ende noch abweicht (!). Und schon wird ein komischer Trieb geweckt: Entweder beginnt die Jagd („Werd ich der schon noch zeigen, was sie davon hat.“) oder es gibt ein paar schöne Erniedrigungen („Tja, wer sitzt noch mal am längeren Hebel, Mäuschen…“).
Leider ist es so, dass es gerade in hierarchischen Organisationen diese Reaktionen eben auch bei Frauen zu beobachten gibt. Widerspruch und andere Meinung wird gleichgesetzt mit einer Verweigerung der Solidarität. Hä?!
Was lernt man in solchen hierarchischen Organisationen: Netzwerke und Seilschaften sind das A und O, aber bitte nur auf gleicher Ebene. Sie müssen ohnehin immer strategisch betrachtet werden und sind am effektivsten, wenn man noch den Richtigen (Mann) dazu kennt.
Ich kenne auch Frauen und Männer, die offene Flirts eingegangen sind mit der Absicht, sich eine Stelle oder einen Status klar zu machen. Gehören halt immer zwei dazu, nicht.
Auf der anderen Seite des Flirts war halt jemand, der drauf eingegangen ist. Egal welchen Geschlechts. Und der es vielleicht geil fand, seine Macht genau da so ein bisschen auszuspielen, wo es auch irgendwie sexuell spannend ist.
Das muss noch nichts mit Belästigung zu tun haben – vorausgesetzt wir haben es mit zwei erwachsene Menschen zu tun und jeder ist sich der Situation bewusst.
Wo war gleich nochmal die Grenze… oder auch: Herr(en), lass Hirn regnen!
Und genau da ist doch das Ding: Es gehören eben immer zwei dazu. Und am allermeisten gehört man aber selbst dazu, wenn man in die offensive Position geht.
Wenn ich mir also in der Buffet-Schlange eines progressiven HR-Kongresses von einem Personalverantwortlichen im Ernst anhören muss, dass er seit #metoo ja auch völlig verunsichert sei, was noch okay sei und was nicht…da würde ich am liebsten mit der Gabel ausholen und mal kräftig zustechen. Und den HR-Führerschein hätte ich dann gerne auch noch auf Lebenszeit eingezogen.
Auf meine Entgegnung hin, dass mir das leider kein Mann erzählen könne und wir hier gerne mal kurz eine repräsentative Umfrage starten könnten, kam er mir dann mit der Story, dass ja sein Kollege in einer Besprechung, und er meinte doch wirklich nur das schöne Kleid der Kollegin…Come on!
Das war ein HR-Kongress. Dieser Mensch war Personaler und er erzählt mir also, dass er nicht wisse, wann eine Grenzüberschreitung da ist.
Ich habe diesem Mann offen gesagt, dass ich in meinem Freundeskreis und Arbeitsumfeld viele Männer habe und die niemals so eine gequirlte Scheiße von sich geben würden. Man weiß als Mann sehr genau, ebenso als Frau, wann etwas angebracht ist und wann nicht. Und falls man es doch mal irgendwie zu spät checkt, dann entschuldigt man sich eben.
Warum gehe ich auf dieses Beispiel so steil? Weil es entlarvt, was im Argen ist.
Es zeigt genau das Problem der Wirtschaft und insbesondere der Top-Entscheider in Deutschland – auch im HR. Auf besagtem Kongress haben zuvor zwei gestandene und toughe Personalverantwortliche gesprochen – es waren Frauen. Großer Applaus, inhaltlich top. Da klatscht man gerne. Ich gehe also schön beflügelt und inspiriert zum Buffet und dann SOWAS.
Bam – back to reality. Du bist eine Frau. Du bist das Problem.
Ich hab aber keinen Bock auf diese Realität. Ich möchte Karriere machen, wenn ich Bock habe, das gleiche verdienen wie meine Kollegen und Blogs schreiben und meine Meinung sagen, bis es euch allen aus den Ohren rauskommt.
So. Und was jetzt tun? Wird das jetzt doch nur der große Auskotzer ohne Finale? Naja, nee. Ich würde sagen:
Wenn weitaus mehr Personalverantwortliche, CEOs, Speaker und Experten in Deutschland männlich sind, zu Hause auch gerne mal die klassische Rollenverteilung leben und das aber irgendwie auch zu spießig und uncool finden, weil New Work und so, dann sage ich:
Solidarisiert euch doch mit den Kolleginnen (und euren Partnerinnen), gebt auch mal einen Extra-Schubser in Richtung Karriereleiter und Verantwortung. Wenn ihr doch wisst, wie es geht mit der Karriere, mit der ersten Reihe, mit dem Netzwerk und wenn ihr das Gefühl habt, eure Kollegin weiß es nicht, dann fragt sie doch mal, ob sie da nicht Bock drauf hat. Bindet sie einfach ein. Sprecht Empfehlungen aus. Gebt Starthilfe. Und fragt doch bitte endlich Mal einfach laut wundernd auf einem Panel nach, weshalb hier keine einzige Frau sitzt.
Und an alle Frauen in verantwortungsvollen Positionen: Wenn ihr nicht Frauen nachzieht, wer denn dann?! Stellt euch als Mentorin zur Verfügung, gründet Netzwerke, enabelt, nehmt die Scheu und versucht nicht die affigen Machtspiele der Männer als „normal in diesen Höhen“ abzutun.
Und an alle, die damit jetzt gar nichts anfangen können: Kommt doch einfach mal ein Wochenende nach Berlin und macht den Realitätscheck der großen, weiten Welt. ☺
Kommentar verfassen