HR im C-Level: Eine Reflexion darüber, ob HR einen Sitz am Tisch (verdient) hat

Als ich neulich gefragt wurde, ob HR jetzt endlich einen „Seat at the Table“ bekommt – sprich: „Wann HR im C-Level ankommt“, war ich erstmal irritiert. „👋 It’s me..hi…“ (um es mit Taylor Swift zu sagen). Ob der Songtext wie im Original weitergeht mit „I’m the problem, it’s me“ – das ist die Frage…

Als HRlerin by Karriere-Design habe ich hautnah miterlebt, wie HR von einer traditionell eher zugeknöpften, administrativen Funktion, zu einem strategischen Partner im Unternehmen gewachsen ist. Ich würde gerne jetzt sowas Schmissiges schreiben, wie: „HR ist endlich weg von den Personalakten und den Papierbergen!“ – aber das wäre ja gelogen. (Grüße an das Nachweisgesetz gehen raus!)
…aber immerhin ist die moderne HR abgerückt von „das haben wir schon immer so gemacht“ und „das bisschen Feelgood mach ich hier mit dem Obstkorb!“

Die HR-, People & Culture-, People Experience- oder Personal-Abteilung hat sich zu einer entscheidenden Kraft im Unternehmen entwickelt, die dabei unterstützt, die Geschäftsziele zu erreichen und sich den Herausforderungen einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt anzupassen.

HR-Expert*innen sind strategische Partner, die mit dem Managementteam zusammenarbeiten, um die Unternehmensstrategie zu entwickeln und zu justieren. Leider sind es auch immer noch die HR-Abteilungen, die überdurchschnittlich oft mit mieser Software, zu wenig Budget und zu wenig Anerkennung kämpfen müssen. HR ist zwar irgendwie in fast alle Entscheidungsprozesse des Unternehmens eingebunden, aber wenn es nach den meisten Unternehmen geht, sollten die Personaler*innen möglichst wenig kosten und einfach nur still und leise geile Arbeit abliefern. Diese dann aber bitte von vorne bis hinten durchdacht und mundgerecht serviert! „Achja und passgenau für jede*n Einzelne*n bitte dann auch noch! Das kann ja nun wirklich nicht so schwer sein…“

Change Management ist die neue HR-Arbeit.

Eigentlich sollte sich kein Unternehmen mehr eine nicht-moderne HR leisten wollen. Denn eine modern aufgestellte HR-Abteilung unterstützt proaktiv Veränderungen im Unternehmen, bietet wertvolle Einblicke in Themen wie Talentmanagement, Organisationsentwicklung, Unternehmenskultur und Mitarbeiterengagement.

Als CHRO ist mir eine grundsätzlich strategische Ausrichtung der Personalarbeit wichtig. Aber ganz ehrlich: Der erste Job in dieser Position ist das „Aufräumen“ und „Glatt ziehen“. Und dabei ist es egal, ob man den Sitz angewärmt oder brandneu bekommen hat, ob das Unternehmen ein Konzern, ein Startup oder Mittelständler ist – erstmal muss man alle Organisations-Steinchen umdrehen und auch mal in den Organisations-Keller gucken. Und wenn man erstmal in den Keller geschaut hat…naja ihr kennt das Problem.

Moderne Personalarbeit ist in sehr vielen Belangen des Unternehmens verankert. Sie changiert ständig zwischen den inidviduellen Bedürfnissen von Mitarbeitenden, Management, Geschäftsführung… und den Bedürfnissen der Organisation und ihren Rahmenbedingungen. Unternehmen sind heute mehr denn je den Umständen des Marktes in großen Stücken ausgeliefert. HR kann also keine abgeschottete Abteilung sein – weder intern noch extern. Zumindest, wenn man gute Arbeit machen möchte.

Und genauso Verhält es sich als CHRO: In den modernen Anforderungen geht es nur zusammen. Ich bin eine große Freundin davon, gute Ideen zu teilen und zu challengen. Auch über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus. Ein Unternehmen, was diese Perspektive nicht bieten kann, braucht meiner Meinung nach gar keine*n CHRO. Da reicht dann auch, wenn „es“ (meist ist das ja dann eher Personalverwaltung) jemand anderes aus der Geschäftsführung nebenbei mitmacht.


Wo ist der Unterschied zwischen einer herkömmlichen Leitungs- oder Head of-Position im Vergleich zur C-Level-Position?


Ich kenne viele Unternehmen, die sich hier leider selbst austricksen. Die Geschäftsführung möchte gerne eine*n C-Level-HR’lerin, aber der- oder diejenige soll bitte nur auf ihren Bereich gucken. Von strategischer Verzahnung möchte man nichts wissen. „Konzentrier dich doch erstmal, dass es bei dir läuft!“ Und das „bei dir“ wird niemals zu einem „bei uns“. Denn Fingerpointing ist schließlich viel einfacher, als integrativ und gemeinsam an Lösungen zu feilen.

Ich habe – unanbhängig von Unternehmensgrößen – schon viele krasse Stories gehört zu dem Job als CHRO. Es gibt Personalleitungen in der Geschäftsführungs-Ebene, die eigenhändig die Abrechnungen machen oder Änderungsverträge schreiben. Quasi die operative Mogelpackung im C-Level-Gewand. Für die Betroffenen ist das oft ein langer Leidensweg, weil sie an der kurzen Budgetleine gehalten werden und sich dadurch nicht operativ entlasten können. So macht HR im C-Level wirklich keinen Sinn.

Spricht man mit diesen Kolleg*innen, erfährt man, dass sie teilweise vor ihrer Einstellung durch krasse Assessment-Center gejagt wurden, die Abi-Mathenote Thema im Recruiting-Gespräch war oder dass der Arbeitgeber sogar noch eine dicke Vermittlungsgebühr an einen Headhunter abgedrückt hat. Dafür, dass die Top-Neueinstellung im Management dann die Abrechnung und Recruiting macht.

HR hat es sich selbst verbockt – und darin liegt die Chance.

Ich bin ja jetzt schon wirklich eine Weile in dieser Welt des „Personalwesens“ und dabei sind mir wirklich viele Wesen begegnet. Egal ob Vorstandswesen, Personalleitungswesen, Kolleg*innen-Wesen… ich habe viele coole Leute kennen gelernt und leider auch viele, die ihre Arbeit bis heute in meinen Augen nicht verstanden haben.

Als CHRO sehe ich mich NICHT vordergründig als Personalerin. Ich sehe mich als Möglichmacherin, Anschubserin, das schlechte Gewissen, das nervige Drin-Rumrühren, das Hinterfragen, die Ally, die Gatekeeperin, die Netzwerkerin….man kann nicht bedingungslos gefallen in der Position. Gerade an diejenigen, die vorher eine Leitungsposition inne hatte, sei gesagt: C-Level ist was anderes.

Viele Personaler*innen sind auf operative Arbeit und Projektarbeit getrimmt. Im C-Level ist es etwas komplizierter. Die Organisation bewegt sich jeden Tag so kleinteilig weiter, dass man es oft zu spät bemerkt oder Themen nicht nach oben gespült werden. Daher ist es sehr wichtig, eine möglichst breite operative Ebene zu haben mit Kolleg*innen, die Auge und Ohren immer an der Organisation ausgerichtet haben.

Viele Themen, die wabern, fallen erstmal zu HR – sobald Mitarbeitende oder Teams involviert sind, scheint es glasklar: Da muss HR ran! Der Blick fällt dann automatisch zum/zur CHRO. Es kann aber nur in einem grundsätzlich für Personalthemen offenen Führungskreis gelingen, alle Themen voranzutreiben. Oft entpuppen sich Zuständigkeiten eben nicht als so klar und dann heißt es: gemeinsam ran an den Speck! CHROs müssen also auch etwas von ihrem „Ich kümmere mich-„Reflex ablegen, den man sich fast zwangsläufig antrainiert in diesem Berufsfeld.

Wo ich früher am Tagesende– auch in Führungspositionen – Themen von meiner Checkliste streichen konnte, gehe ich heute oft mit mehr Fragezeichen ins Bett als mit Antworten. Ich wälze Themen manchmal in meinem Abendessen (mein Partner sieht das mittlerweile recht gut daran, wie energisch ich in mich reinschaufele), ich lerne Menschen und Themen kennen (oft auch nur second hand, weil mir ein Thema zugetragen wird), versuche, die richtigen Fragen zu stellen oder passende Antworten zu finden. Ich habe das große Glück, dass ich das in 90% der Fälle im Team besprechen kann. Was es auch nicht einfacher macht, aber doch leichter im Gemüt. Für eine starke CHRO-Rolle braucht es dringend die Unterstützung der Kolleg*innen, insbesondere innerhalb der Geschäftsleitung – denn People-Themen sind die Zukunftsthemen der Organisation.

Be an emotional human or you won’t go beta.

Ich sehe es als Privileg, einem Unternehmen mit meiner Arbeitskraft und meinem Gehirn (bis ChatGPT mich ersetzt) unterstützen zu dürfen. Mein wichtigstes Tool dabei ist (sorry, AI, aber fake it til you make it, ne!) meine emotionale Intelligenz. Schlau ist jede*r im C-Level, wenn man ihn oder sie fragt. Das ist kein Unterscheidungsmerkmal. Aber was CHROs der Zukunft können müssen ist, ein emotionales Gespür zu entwickeln und auch emotional intelligente Antworten zu finden auf die Themen, die uns alle bewegen. Denn die Zahlen, Daten und Fakten – das macht dann die künstliche Intelligenz. Und ja, zur emotionalen Intelligenz gehört es dann für mich auch, unterscheiden zu können, ob da jetzt gerade Quatsch rauskommt bei der KI oder nicht. Dass man nachforscht, wenn sich etwas „nicht richtig anfühlt“. Intuition spielt im Job des/der CHRO auch eine große Rolle. Dabei geht es nicht darum, wissenschaftliche Evidenz oder zahlenbasierte Faktenlage durch Bauchgefühl und Bias zu ersetzen. Vielmehr speist sich diese Intuition aus Erfahrungswissen und eben einem Verständnis für die Situation, die auch aktuelle Stimmungen im Unternehmen mit einbezieht.

Für mich ist eine reine „zahlengetriebene Mensch-Maschine“ keine gute Besetzung für die Position eines CHRO. Der entscheidende Faktor wird in Zukunft sein, ob man in der Lage ist, Koalitionen und Netzwerke der menschlichen Gehirne zu bilden. Ob man bereit ist, Wissen und Intelligenz die über die künstliche hinausgeht, zu teilen. Zu kollaborieren auf menschliche Art, sich nicht hinter Plattitüden und Aktenschränken zu verschanzen, sondern ohne Schutzausrüstung auf andere zuzugehen. Die Zukunft ist für die Mutigen.

Der Stuhl am Tisch wird dir hingestellt – setzen musst du dich schon selbst.

Immer mehr Unternehmen suchen CHROs, immer wichtiger wird die Stelle für neu gegründete Startups. HR wird meist direkt im Gründungsteam verankert. Eine starke C-Suite besteht heute auch aus HR.

Als HR-Expertin habe ich mein ganzes bisheriges Berufsleben darauf verwendet, die Bedeutung von guter Personalarbeit zu durchdringen und anderen zu vermitteln. Für mich steht außer Frage, dass HR das Fundament für den Erfolg eines Unternehmens bildet. Das zeigt sich vor allem dann, wenn die Position plötzlich wegbricht…dann ist die Aufregung nämlich auch medial oft sehr groß.

Die Frage, ob HR denn wirklich einen Sitz im C-Level verdient hat, beantwortet sich für mich also von selbst. Auch wenn ich mir zunächst vielleicht nicht so ganz sicher war, ob ICH diesen Job wirklich ausfüllen kann. Auf der anderen Seite habe ich mein ganzes Berufsleben lang Jobs bekommen, WEIL man speziell nach den Kompetenzen einer Personalerin gesucht hat, mit dem Ziel, das Management zu unterstützen und neue Impulse in die Organisation zu bringen. In Zeiten von Fachkräftemangel ist es für mich offensichtlich, dass ganzheitliche und nachhaltige Personalarbeit das Fundament eines jeden erfolgreichen Unternehmens ist. Daher ist es ein No-brainer für mich, dass die Position auch im C-Level verankert werden muss – aber eben nur, wenn das Unternehmen wirklich zukunftsgerichtet arbeiten möchte.

Dieses Bild, dass HR in Unternehmen ganz klarer Zukunftsgestalter ist und die Zukunftsfähigkeit höchste Prio genießt und HR damit im C-Level gut platziert ist, dieses Bild setzt aber auch voraus, dass sich meine Profession endlich mal ganzheitlich streckt. Dass die lahmen Trantüten mal aufwachen. Künstliche Intelligenz wird eine Menge Tätigkeiten kosten auf lange Sicht – das heißt aber nicht, dass die Jobs komplett verloren sind. Vielmehr werden Tätigkeiten rausfallen. Spätestens dann wird man wieder auf das reduziert, was einen als Menschen ausmacht: Die Fähigkeit, soziale Interaktionen zu gestalten, Gemeinschaften zu bilden, einen eigenen Willen zu haben, eigene Ideen zu entwickeln, einen Verstand und eine eigene Meta-Ebene zu entwickeln, die einen das eigene Tun selbst reflektieren lässt.

Also hier ist dein Stuhl, setz dich, aber mache es dir nicht zu bequem!


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