New Work: Mehr als ein Trend?Realitäten der modernen Arbeitswelt.

Nichts klingt so abgenudelt wie der Begriff “New Work”. Vom Ursprung des Begriffes, den einst Frithjof Bergmann etablierte, scheint man heute kaum mehr etwas zu spüren.
Die deutsche Arbeitskultur scheint dahingehend in einer Sackgasse angelangt. Auf der einen Seite haben wir in Deutschland einen Mittelstand, der nicht nur “backbone” der Industrie ist, sondern sich auch gleichzeitig einem massiven Innovationsdruck ausgesetzt sieht – denn viele Trends und Themen wurden verschlafen oder auf die sehr lange Werkbank geschoben. Auf der anderen Seite sind wir sehr gut darin, Themen so lange runter zu kochen, bis alles so bleibt, wie es ist –  Innovationsdruck hin oder her.


Home office ist kein New work – and we knew it.

Auch wenn es gerade während und kurz nach der Pandemie als absolutes Symbol für die voranschreitende Digitalisierung im eigenen Hause galt, seine Mitarbeitenden im Homeoffice zu belassen, will man Ende 2023 am liebsten nicht nur die Pandemie hinter sich wissen. “Firmen rufen Mitarbeitende zurück ins Büro!”, lassen Newsportale verlauten. “Das klappt bei uns leider, leider einfach nicht”, kann man auf LinkedIn lesen.


Was damals als billiges Mittel galt, damit die Wirtschaft nicht komplett zum Erliegen kam, scheint jetzt schon wieder Schnee von gestern. Remote work ist wieder vorbei! Selbst die, die in der Pandemie massiv von dem Peak der digitalen Zusammenarbeit profitiert haben, wie z. B. Zoom oder Apple, fahren die Krallen aus und zerren die Leute zurück an den Büroschreibtisch.

Neue Wörter wie “coffee badging” tauchen auf. Und da die Sprache auch immer Realitäten schafft, ist damit nichts geringeres gemeint, als dass Leute an den Office-Tagen halt gute Miene zum nervigen Spiel machen und ihre Arbeitszeit im Office verplempern. Präsenz und Anwesenheit werden zum Kaffeeschnack. Das kann man sich leisten, weil die tatsächliche Produktivität im Homeoffice (in der verbleibenden Zeit) abgewickelt wird. Verkehrte Welt, wenn man bedenkt, dass die Präsenzpflicht doch deshalb wieder eingeführt wurde, weil im Homeoffice angeblich gar nichts geleistet wird…

New work needs ganz schön viel (und nicht nur inner) work.

Das Problem der romantisierenden Sichtweise von New work “as we know it”, ist die Idee, dass der Kapitalismus durch eine ganzheitliche Betrachtung des Individuums ausgedribbelt werden kann. Dass Wertschöpfung durch Sinnstiftung entsteht. Aber selbst Unternehmen wie Vaude oder Patagonia müssen ja irgendwie Gewinne erwirtschaften, damit am Ende nicht nur Löhne, sondern auch das Geschäftsgerüst als solches bezahlt werden kann. Egal ob das Unternehmen in Eigentümer-, Investoren- oder Mitarbeitender-Händen liegt. Die Bilanz muss am Ende stimmen.

In vielen Branchen sind die fetten Jahre schon länger vorbei. Einige haben sich nach Corona zwar irgendwie erholt, aber nicht wirklich nachhaltig. Gerade jetzt muss man aber sehr vorsichtig sein. Denn der Generalverdacht, dass Unternehmen, die Gewinn erwirtschaften, das nur nach alter Manier tun können, ist nicht zielführend. Die Veränderung von Arbeitsroutinen und -abläufen, egal wie groß oder klein sie sind, brauchen immer Zeit. Wenn man aber ständig wieder die Uhr zurück auf Anfang stellt, wird es schwer mit der nachhaltigen Veränderung.

Gerade als kleines Unternehmen mit dünnerer finanzieller Decke ist Zeit ein Asset, von dem generell zu wenig hat. Deshalb beißt sich also die kleine New work Katze so oft in den Schwanz: Weil sie auf der einen Seite den Anforderungen eines aufgeklärten und entromantisierten Kapitalismus gerecht werden soll (immer höher, immer mehr funktioniert nicht mehr), auf der anderen Seite muss sie aber weiterhin das große Rad im Kapitalismus ordentlich mitdrehen, sonst muss sie zurück ins Tierheim (ein bisschen höher und ein klein wenig mehr geht aber schon noch).

Bayern München verliert gegen den FC Saarbrücken – oder warum Innovation als Priorität gesehen werden muss.

Ich interessiere mich ungefähr gar nicht für Fußball, aber als vor ein paar Wochen der FC Saarbrücken gegen den tausenddrölffachen deutschen Meister und Weltklasseverein Bayern München gewonnen hat, fand ich das schon ein bisschen krass. Die David gegen Goliath-Story zieht nicht nur im Sport besonders gut. 

Nur leider ist es, was es ist:  Nur eine kurze Story, von der man sich in der Saarpfalz sicher noch lange was erzählt, die aber ansonsten jetzt schon niemanden mehr interessiert. In unserer Welt bedeutet das zufällige Schlagen der althergebrachten Mittel und Wege noch keine Veränderung. Goliath stirbt nicht. Der FC Bayern wird immer die besseren Mittel haben, um sich aus einer Misere zu befreien. Während der FC Saarbrücken immer hoffen muss, dass sie durch Zufall ein tolles Talent entdecken, um es für einen schmalen Taler zu verpflichten, bis ein Goliath mit einem besseren Angebot kommt. 

Ein überraschender Spielzug, ein herausragendes Talent oder ein innovatives Spiel über einen begrenzten Zeitraum, das macht halt auch im Fußball noch keine Exzellenz. Und um es in die Wirtschaft zu übertragen: Die Deutsche Bahn wird immer die Nummer 1 bleiben, und Flixtrain kann nie zur Deutschen Bahn werden. Die Geschichte schreibt sich nicht um, Gewohnheiten werden nicht begraben, nur weil einer sagt: Lass es uns mal ein bisschen anders probieren. Dennoch braucht es diese Rebellen in der Wirtschaft. Das ist auch das große Versprechen der Startups: “Egal wie, wir machen es (anders)!”

Was uns groß gemacht hat, scheint gerade gut genug.

“Dieses komische remote work, das hat sich bei uns nicht bewährt!” tönt es allerorten, aber wenn man dann mal nachhakt, ob überhaupt Strukturen eingezogen wurden, die mobiles Arbeiten ermöglichen, erhält man meist sehr komplizierte Erklärungen. Die alle darauf hindeuten, dass ortsflexibles Arbeiten niemals angelegt wurde, um zu bleiben. Es war, wie oben bereits erwähnt, einfach Mittel zum Zweck. Und jetzt hat es seinen Zweck erfüllt und kann wieder weg. Aber auch das muss natürlich mit den richtigen Metaphern aufgeladen werden.

Da wird der Büroflur zum “walk of culture”, das Gespräch an der Kaffeemaschine wird “zum Kulturmoment”, der Weg zur und von der Arbeit wird zum “Decompressing”. Neue Wortschöpfungen für ein und dieselbe Denkweise: Nur ein anwesender Mitarbeitender ist kontrollierbar, ist ein guter Mitarbeitender.

Das erzwungene Kollektiv im Großraum, das Narrativ der “one big Family”, während zu Hause die eigentlich Family in die Binsen geht im Druck zwischen Performance und Betreuung, wird zum Treppenwitz der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Ja, wir Deutschen sind wirklich mega gut im analysieren von Problemen und das machen wir so lange, bis sich das Problem überholt hat. “Siehste, war doch gar nicht so tragisch! Jetzt wo wir alle zurückgeholt haben ins Office wissen wa wenigstens, dass es daran nicht lag“, sagte der Weltmarktführer in Dingsbums und geht in die Insolvenz.


Und was nun? Tja, ich weiß es auch nicht: Weitermachen, würde ich sagen!

Um das angestammte Modell auszuhebeln, braucht es neben richtig viel Chuzpe der Führungsgremien auch eine Prise Übergeschnapptheit, die man sicherlich in etablierten Modellen erstmal lange suchen kann. Ich denke nicht, dass es ein Zufall ist, dass ausgerechnet der Hyperkapitalist Elon Musk dem deutschen Automarkt den Kampf angesagt hat. Er hat das, was es braucht: Übergeschnapptheit, die Exzentrik und das Kapital – und keinen Plan, wie das in Deutschland eigentlich zu laufen hat. Es ist ihm auch einfach komplett egal. Aber wie viele Leute dieser Sorte gibt es denn weltweit – geschweige denn in Deutschland?

Als Beobachterin und (ehemalige) Mitarbeiterin der Konzern- und Startupwelten sage ich: Es braucht diese Menschen. Auch wenn ich – und das sei hier explizit gesagt – den meisten Ethik und Moral komplett abspreche, insbesondere Elon Musk. Aber der Turn ist schon da: das Marktmodell des Kapitalismus wird auch in Deutschland nicht mehr zum Gemeinwohl stilisiert. Money rules. Und die Menschen müssen mit. Daher würde ich lieber eine moderate Erwartung gegenüber dem, was Kapitalismus überhaupt noch leisten kann, sehen.

Denn auch die Politik macht deutlich: Es gibt Gewinner und Verlierer und lucky you, wenn du nicht zu den Verlierern gehörst. Das reicht aber den Bürger*innen nicht mehr, die gefühlt oder real weniger lucky sind. Und auch die jetzigen Gewinner profitieren davon, wenn der Druck auf die aktuelle Regierung erhöht wird. Quittiert wird das Ganze mit einem Rechtsruck, der sich gewaschen hat. Das konservative Weltbild versprüht Recht, Ordnung und Stabilität. Und vor allem immer noch eins: Wohlstand. Den es so längst nicht mehr zu erwirtschaften gibt.

Versteht mich bitte nicht falsch, das hier soll kein Rant gegen den Kapitalismus als Marktform sein, aber ein ermahnender Hinweis, dass es in der Marktwirtschaft auch verschiedene Nuancen und Spielarten gibt. Das haben wir in Deutschland mal ganz gut hinbekommen. Und NOCH sind wir in vielen Gebieten Weltmarktführer. Dennoch scheint dieser Wissensvorsprung so fragil wie noch nie. Auch dank KI. Und wenn jetzt noch die konservative Haltung in Deutschland die Oberhand gewinnt, dann wird es für unseren Wohlstand düster aussehen.

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt: Lasst uns Dinge hinterfragen, bevor es andere tun!

“New Work” als Idee der Zusammenarbeit, orientiert sich am Menschen. Sie verkörpert ein menschenzentriertes Bild von Arbeit. Und das im Gewinnstreben des Kapitalismus. Ich finde es richtig, dass wir hierzulande von einer 32-Std-Woche und mehr Menschsein träumen. Ich finde es richtig und wichtig, dass es Pilotprojekte gibt, aber ich bin leider auch eine hoffnungslose Realistin und weiß, dass es aktuell keinen Raum für diese Utopie gibt. Das zeigen die Ergebnisse bei Wahlen und die Stimmung auf den Straßen.

Ich bin aber nicht bereit, den Ewiggestrigen und den ewigen Nörgler*innen und Katastrophisierenden den Raum zu überlassen, denn schauen wir uns an, was passiert ist:

Wir sind als Deutsche nicht unantastbar in unserem Wissen und unserer Innovationskraft. Wir brauchen Unternehmen und Menschen, die Dinge anders machen und darum brauchen wir neue Arbeitsmodelle, die auch gesetzlich verankert sind, Unterstützung für Eltern und insbesondere für Alleinerziehende, wir brauchen Gründerzuschüsse, Startups, Einwanderung und nachhaltige Integration sowie mehr Mut in Deutschland. Unser Wohlstand ist nicht vom Himmel gefallen, wir haben ihn gestaltet. Jetzt müssen wir aufpassen, dass Deutschland nicht zum Synonym für Engstirnigkeit und einer alten Industrie wird und auch nicht zum Spielball eines Hyperkapitalismus von Egomanen. 

Und das alles vor dem Hintergrund der katastrophalen Klimaprognosen…wir können uns kein Zögern mehr leisten. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir eine zukunftsfähige und nachhaltige Form des Arbeitens und Wirtschaftens aufbauen können. Und hierbei ist auch jede Unternehmung gefragt!

Oder was meinst du?


2 Antworten zu „New Work: Mehr als ein Trend?Realitäten der modernen Arbeitswelt.”.

  1. Innovation hat auch immer mit Risiken zu tun. Das ist die eine Seite der Medaille. Aber Innovation hat vor allem auch damit zu tun, neue Ideen nicht bei der erstbesten Gelegenheit gleich wieder einzustampfen und so weiterzumachen, wie bisher. Und genau da sehe ich das Problem. Auch New Work (wo denn tatsächliche Umsetzungsversuche stattgefunden haben) ist so ein Thema. Organisationen haben erste zarte Versuche unternommen, vielleicht aufgrund der Situation und des Zeitgeistes, selten aber aufgrund eigener Bestreben, und haben diese bei der erstbesten Gelegeneheit (es funktioniert ja nicht!) wieder zurückgenommen…
    Mehr Menschein kann auf viele Arten umgesetzt werden, aber es muss umgesetzt und beibehalten werden!

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  2. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit remote work und home office gemacht. Wenn Mitarbeiter im Vertrauen ihre Arbeitszeiten selbst einteilen können und man sich mehr am Ergebnis der Arbeit als an den Zeiten orientiert kommt man deutlich weiter. Die Arbeitszeiterfassung ist dabei natürlich ärgerlich wie kontraproduktiv, denn wir beuten unsere Mitarbeiter nicht aus – das wäre auch dumm, denn qualifizierte Fachkräfte können überall anders arbeiten! Man muss als Arbeitgeber wirklich überzeugen und nicht nur die schöne Employer Branding Fahne schwingen. Wir versuchen unsere Erfahrungen auch in den Unternehmen zu implementieren, mit denen wir zusammenarbeiten, aber es zeigt sich, das ist nicht immer einfach … Es ist wohl noch ein längerer Weg und ich vermute, es wird vor allem dann eine schnellere Veränderung geben, wenn Mitarbeiter mehr Druck machen und ggf. zu den Unternehmen wechseln, die schon moderner aufgestellt sind. Nur auf die Unternehmen zu warten wird wahrscheinlich nicht ausreichen. Dieses Thema werden wir nicht aussitzen können, wir sind gefordert, es ernst zu nehmen und zu lösen, sonst verlieren wir am internationalen Markt weiter an Boden. Elon Musk war in diesem Kontext sicher jemand, der gezeigt hat, wie man Dinge mit Tempo ändern kann, allerdings dient die Veränderung vor allem seinem Vorteil und nicht seinen Mitarbeitern und das fällt auch langsam auf, wohl aber hat sein Narrativ doch 10 Jahre durchgehalten 😉 Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland eine Zukunft hat, so wir denn etwas dafür tun und die Rahmenbedingungen für Fachkräfte und Innovatoren passend machen. Was dabei richtig ist, werden wir daran erkennen, wenn es uns gelingt, die passenden Menschen zu gewinnen.

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