Wie kann ich eine Kündigung verhindern?

Die Zahlen scheinen erschreckend: Nur 16% der deutschen Arbeitnehmer*innen fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber emotional verbunden. 56% der Deutschen denken über einen Jobwechsel nach.

In der heutigen Welt ist es schwierig, mit der eigenen beruflichen Situation wirklich glücklich zu sein. Und sagen wir mal so: die Deutschen sind ohnehin keine Meister*innen im Glücklichsein (im World Happiness Report landen wir auf Platz 16). Irgendwas ist doch immer: Chef*in doof, Arbeit doof, Gehalt doof, Kolleg*in doof…die Frage ist: WIE doof ist das Gefühl. Ist das Gefühl so, dass man denkt: „Das ist nur temporär, gerade läuft halt alles blöd, aber eigentlich habe ich – verglichen zu meinem Freundes- und Bekanntenkreis – ganz angenehme Arbeitsbedingungen.“ Oder ist es so, dass man schon hasserfüllt aufwacht und auf 180 ist, noch bevor man den Rechner einschaltet? Das kann jede*r nur für sich selbst herausfinden.

Die Sache mit den Roadblocks

Es gibt tausende Spielarten von Gefühlen gegenüber dem eigenen Arbeitgeber und meistens sind diese eben sehr subjektiv geprägt. Als Geschäftsleitung und auch als Mitarbeiterin kann ich beide Seiten verstehen. Unternehmen versuchen, durch immer mehr, bessere, neuere Benefits, die Kolleg*innen an Bord zu halten oder von anderen Arbeitgebenden abzuwerben. Bei all dem “shiny new” dürfen die grundsätzlichen Prozesse aber nicht vergessen werden. Nichts drückt beispielsweise mehr den roten Knopf, als eine verzögerte Gehaltsanpassung oder eine schleppende Urlaubsfreigabe. Im Arbeitsalltag der Personalabteilungen kommt von diesen vermeintlich kleinen Themen beständig etwas an und diese sind leider nicht immer direkt zu lösen. Es kommt zu sehr vielen “Roadblocks” im Kleinen, also Stolpersteine, die man individuell aus dem Weg räumen muss. Manchmal geht das schnell und manchmal dauert es länger, weil weitere Stakeholder beteiligt sind.

Führungskräfte sind der Schlüssel und leider auch Teil des Problems

Für Führungskräfte sind die vielen Anforderungen auf individueller Ebene auch eine tricky Sache. Ich kenne wenig erfolgreiche Führungskräfte, die sich nicht für die Belange ihres Teams einsetzen. Klingt doch auch super, oder? Und wer will schon ein*e Chef*in, der/die nur die eigenen Belange als Führungskraft im Blick hat?! Für das Unternehmen heißt es allerdings dann abzuwägen: Ist das jetzt individuelle Regelung für eine Person, eine Entscheidung, die man für das Team treffen muss oder muss es in eine kollektive Entscheidung münden, weil ansonsten woanders Probleme auftauchen? Dreimal darf man raten, was länger in der Umsetzung dauert…

Diese Art von Entscheidungen zu treffen, macht einen Großteil der Führungsarbeit in der Mitarbeitenden- wie auch der Unternehmensführung aus. Der Witz ist: Es ist auch egal, wie groß das Unternehmen ist: Diese Themen hat man tagein, tagaus auf dem Schreibtisch. Und wenn es nicht der eigene Tisch ist, dann hat man sich eine neue Position dafür geschaffen (ich sag nur: Prozessmanagement, Personalentwicklung, Business Development…). Das, was der oder die Arbeitnehmer*in auf individueller Ebene spürt, sind also oftmals die Roadblocks der Entscheidungsfindung. Und das kann richtig auf die Nerven gehen, weil es sich eher wie eine persönliche Sache anfühlt. Und das Doofe ist ja: Je länger man in einem Unternehmen ist, desto mehr Zeit hatte man, diese Roadblocks für sich zu sammeln. Denn seien wir mal ehrlich: An wie viele coole Momente erinnert ihr euch noch bei euren Ex-Arbeitgebern? Da muss man meist schon etwas tiefer graben, weil einem die Gründe, die zur Kündigung geführt haben, sicherlich einprägsamer waren.

Eine Kündigung ist ein Prozess

Eine Kündigung des/der Mitarbeitenden ist also meist ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum aufbaut und der nur mit viel individueller Fürsorge durch verschiedene Beteiligte verhindert werden kann. Allen voran ist es die Führungskraft, der dabei viel Verantwortung zuteil wird. Im Korsett der Gegebenheiten des Unternehmens, ist es auch für die Führungskraft oft schwierig, eine Lösung zu finden. Gerade über viele Hierarchiestufen hinweg, verwässert sich die Entscheidungsmacht immer weiter. Aber auch ohne konkrete Befugnis an einer Stelle, hat man an anderer Stelle immer die Macht der Kommunikation in seiner Hand. Daher sind regelmäßige, ehrliche Feedbackgespräche so wichtig.
Und damit meine ich auch situatives und zeitnahes Feedback. Alles aufzuheben für “das große Jahresgespräch” halte ich für sehr kontraproduktiv für die Zusammenarbeit. Als Führungskraft hält man seinen eigenen Unmut über eine Verhaltensweise oder Situation zurück, sammelt aber unterbewusst im weiteren Verlauf “Beweise” für das ständige falsche Verhalten des/der Kolleg*in und kommt so am Ende gar nicht mehr runter von seinem eigenen Beurteilungs- und Befindlichkeitstrip.
Wer denkt, die Person gegenüber spürt den sich aufbauenden Groll nicht, der irrt sich. So kann sehr viel Misskommunikation und Missdeutung von Verhalten auf beiden Seiten entstehen. Der Nährboden für eine formschöne Kündigung durch den/die Arbeitnehmende*n ist gelegt.
ABER mindestens genauso wichtig: Wer nicht auch in positiven Situationen ein Lob bzw. positives Feedback erhält, der oder die wird genauso enttäuscht sein und sich nicht in den eigenen Bedürfnissen gesehen fühlen.

Und was ist mit dem “Quiet Quitting”?

Der Begriff „Quiet Quitting“ suggeriert, dass Arbeitnehmer*innen still und leise ihre Kündigung vorbereiten und durchziehen. Jedoch ist es doch in den meisten Fällen nicht so, dass jemand von einem Moment auf den anderen “innerlich kündigt” und sagt: “Ich hab jetzt keinen Bock mehr!”
Vielmehr geht dem „Quiet Quitting“ ein Prozess voraus, in dem die Mitarbeitenden wahrscheinlich bereits versucht haben, Missstände anzusprechen oder Veränderungen herbeizuführen. Oftmals sind sie frustriert von der Reaktion des Unternehmens oder der Führungskraft und haben das Gefühl, nicht gehört oder wertgeschätzt zu werden. Daher ist es wichtig, die Anzeichen von Unzufriedenheit frühzeitig zu erkennen und aktiv darauf einzugehen. Zum Thema Quiet Quitting schreibe ich noch einmal einen eigenen Blogbeitrag, den ich dann hier verlinken werde.
So oder so wird doch auch hier wieder klar: Ohne regelmäßiges miteinander Sprechen wird das alles nichts.

Kann ich jetzt eine Kündigung verhindern oder nicht?

Jein. Grundsätzlich gehört zu einer starken emotionalen Bindung (nicht zu verwechseln mit Abhängigkeit) eine starke Kommunikation, die von verschiedenen Seiten passieren muss. Die Attraktivität des Arbeitgebers wird für die Arbeitnehmer*innen beständig neu verhandelt. Sobald sich Lebensumstände oder Arbeitsumstände ändern, wirkt sich das auf die Arbeitsbeziehung aus. Unternehmen als auch Führungskräften verlangt dies eine hohe Flexibilität ab, die nur bis zu einem gewissen Grad planbar und auch umsetzbar ist.

Flexible Arbeitszeitmodelle oder Arbeitsorte sind z. B. eine gute Antwort auf sich verändernde Lebensbedingungen oder verschiedene Lebensphasen. Transparente Entwicklungsmöglichkeiten geben eine Idee davon, wie man was noch erreichen kann oder worauf man vielleicht auch keine Lust hat. Regelmäßige und ehrliche Kommunikation (im Rahmen von Feedbacks und/oder Weeklies/Dailies etc.) kann nur im Rahmen psychologischer Sicherheit wirksam sein. Das bedeutet, dass ich mir als Mitarbeitende*r wie auch als Führungskraft sicher sein kann, dass die besprochenen Themen nicht gegen mich verwendet werden, sondern ein Interesse daran besteht, Lösungen zu finden. Und hier ist auch wieder die Unternehmensführung gefragt, die diesen Raum bereitstellen und zusichern muss. 
Was mir bei der Diskussion aber auch gerne fehlt:

Es muss okay sein, zu gehen!

Viele Arbeitnehmer*innen haben vor der Kündigung richtig Bammel. Selbst wenn sie schon einen neuen Vertrag in der Tasche haben und keine Arbeitslosigkeit fürchten müssen, ist für die meisten die Konfrontation das Schlimmste. Der eigenen Führungskraft oder dem Team zu sagen, dass man geht – das beinhaltet ja meist das Wissen, dass es für die Kolleg*innen jetzt kniffelig wird. Aufgaben müssen umverteilt werden und bis ein*e neue Kolleg*in gefunden ist, dauert es. Man hat vielleicht Freundschaften geknüpft, die man jetzt zurücklässt, man hat vielleicht selbst ein wenig Angst vor dem nächsten Schritt…

Also ich habe wirklich selten erlebt, dass Mitarbeiter*innen mit einem fröhlichen Lachen gekündigt haben. Dennoch finde ich es wichtig, diese angespannte Situation zu lösen – und dann darf man auch mal lachen! Eine Arbeitsstelle ist ein Rahmen, aus dem man sich lösen darf. Man DARF gehen und das ist auch okay. Diese Grundmessage mitzugeben, ist mir persönlich sehr wichtig. Sie setzt auch den Ton für die Möglichkeit einer Rückkehr. Diese sollte es nämlich auch geben. Nachtreten, sauer sei, Vorwürfe machen – all das hat im Kündigungsprozess absolut nichts mehr zu suchen. Es gehört sich meiner Meinung nach als Unternehmen nicht, es hinterlässt einen schalen Beigeschmack und es verhagelt einem zudem (dann auch Zurecht) den eigenen Ruf. Ich hab schon erlebt, dass Mitarbeitende sauer oder enttäuscht aus dem Unternehmen gegangen sind und das auch im Offboarding-Gespräch (das ihr unbedingt machen solltet als Unternehmen) so verkündet haben. Dennoch haben sie das Unternehmen weiter empfohlen (mit ein wenig Abstand kann man ja auch anders drauf schauen) oder haben sich selbst irgendwann zur Rückkehr entschieden.

Man muss also Kündigungen nicht um jeden Preis verhindern, man sollte aber ein grundsätzliches Interesse daran haben, dass Mitarbeitende gerne im eigenen Unternehmen beschäftigt sind.

Ich hab dazu noch viele Einlassungen und Ideen in meinem Kopf – interessiert euch etwas ganz besonders, über das ich als Nächstes schreiben soll?

Ich freue mich auf eure Anregungen!

, , ,

Hinterlasse einen Kommentar

Bloggen auf WordPress.com.