Die HR Must haves 2022: Das wird jetzt wichtig

“Der Sommer wird gut” – so lautete das Motto 2021. Ich hoffe, ihr konntet diesen Sommer alle ein wenig genießen und tragt ihn noch in eurem Herzen. Frostige Zeiten sind ja leider gefühlt wieder angebrochen. Die nächste Variante hat uns im Griff und über die Feiertage werden sich viele Arbeitnehmer*innen in Deutschland wieder fragen: Wie war eigentlich mein letztes Arbeits- und Lebensjahr?

Unternehmen merken es mittlerweile sehr deutlich, dass ein Purpose oder eine Vision auf dem Papier alleine nicht ausreicht. Zum Jahresende waren die Deutschen auch in Vor-Pandemie-Zeiten durchaus wechselwillig. Aktuell, so scheint es, sind sie es mehr denn je. Eine aktuelle Umfrage, die Xing unter seinen mehr als 19 Millionen Mitgliedern anstrengte, kam zu dem Ergebnis: 41% suchen einen Job “der glücklich macht” (warum das ein frommer wie schwieriger Wunsch ist, darüber hab ich an dieser Stelle schon einmal philosophiert). Knapp gefolgt wird dieser Wunsch von konkreten Inhalten: Mehr Gehalt und mehr Zeit für Familie und Freunde. Jede*r Zweite (52%) möchte mobil arbeiten. Knapp ein Drittel wünscht sich eine 4-Tage-Woche (bei 100% Arbeitspensum) und 29 Prozent finden eine Arbeitswoche mit reduzierter Arbeitszeit von 30 Stunden attraktiv. 

Ganz schön viele Wünsche auf einmal, oder? Um diesen neuen Themen gerecht zu werden, muss HR sich in 2022 für einiges wappnen. Wie uns bereits der Anfang der Pandemie gezeigt hat, ist vielerorts die HR-Abteilung die erste Anlaufstelle, wenn es um neue Arbeits- und Organisationsformen sowie um Kultur geht. Nicht umsonst haben sich die meisten modernen HR-Abteilungen in “People & Culture” umbenannt.

Darum lenke ich das Spotlight nun mal auf 5 “Must haves”, die aus meiner Sicht die HR- bzw. People & Culture-Abteilungen in 2022 mehr denn je brauchen:


1. Must have: Ein reibungsloser Recruiting-Ablauf

Ich werde nicht müde, es herunterzubeten. Aber ich frag dich mal: Wann hast du dich zuletzt beworben? Ich hab mich in den letzten Monaten ein bisschen umgeguckt auf dem Arbeitsmarkt und ich war wirklich entsetzt darüber, was da an Prozessen abgeliefert wurde. Egal, welcher coole oder uncoole Unternehmensname auf der Jobverpackung stand… es war wirklich oft sehr unangenehm, das aus der HR- und Bewerberinnen-Perspektive zu verfolgen. Zeitgleich waren auch einige aus meinem Freundeskreis auf Jobsuche… alle im HR-Bereich oder eng angrenzenden Disziplinen. Ich kann also sagen: Es lag nicht nur an mir.

Gutes Recruiting ist wirklich so einfach, dass es eigentlich an Arbeitsverweigerung grenzt, schlechte Prozesse hinzunehmen als Personalbereich. Die Zauberzutaten: Automatisierung im ersten Schritt – die dann auch bei den weiteren unterstützt; Individualisierung um Kandidat*innen nicht durch wochen- bis monatelange Schweigepausen zu verlieren sowie Ehrlichkeit & Transparenz. Ich hatte eigentlich nur zwei gute Beispiele, wie es mit Offenheit, Transparenz und schnellem Feedback auch für mich als Bewerberin ein wirklich schöner Prozess war. Und wenn ich darüber nachdenke, dass ich mich ausschließlich auf Management-Positionen beworben hab, will ich gar nicht wissen, wie man mit Berufsanfänger*innen umgeht…

2. Must have: Ein ordentliches Offboarding

A propos Recruiting: Des einen Einstellungs-Freude ist der Schmerz des Verlassenwerdens der anderen. Trennungen zu vollziehen – das geht auch im Privatbereich selten super harmonisch über die Bühne. Schließlich gab es ja für die Trennung auch einen Grund, der sich meistens über Jahre hinweg aufgebaut hat. Wir sehen unseren Arbeitgeber in den meisten Fällen häufiger als unsere*n Partner*in. In der Pandemie und im Homeoffice mag sich das eventuell etwas verschoben haben. Aber man sollte sich als Arbeitnehmer*in durchaus vor Augen führen, dass man eine selbstgewählte Arbeitsstelle angetreten hat. Es zwingt eine*n gut ausgebildeten Wissensarbeiter*in niemand zu bleiben – außer die eigene (fehlende) Courage. Manchmal braucht es vielleicht auch einen kleinen Schubs von außen. Z. B. indem einen ein*e sympathische*r und kompetente*r Recruiter*in anschreibt , der seine/ihre Prozesse im Griff hat (siehe Punkt 1.)

Hat man sich dann entschieden zu gehen, kommt oft noch ein böses Erwachen: Es ist gar niemand traurig. Ja ganz im Gegenteil: Der Arbeitgeber ist jetzt sauer auf einen oder (noch schlimmer?) sogar erleichtert. Vergessen sind die mauen Feedback-Gespräche aus den letzten Jahren, in denen immer wieder neue Arbeitsaufgaben, ein Karriereschritt oder mehr Gehalt versprochen, aber nie umgesetzt wurden. Man hat das Unternehmen betrogen und verraten. Warum denn AUSGERECHNET JETZT. Spoiler: Es passt eigentlich nie…

Aber das muss alles nicht so sein. Man kann ein gutes und offenes Trennungsmanagement hinbekommen. Das liegt aber nicht alleine an HR, es braucht dafür auch ausgebildete und geeignete Führungskräfte, die ihr Ego hinten anstellen und in der Lage sind, über Entscheidungen zu stehen. Nicht selten ist HR in der misslichen Lage, zwischen zwei “bockigen” Parteien zu vermitteln. Auch hier darf man sich als HR durchaus fragen, ob das noch im eigenen Aufgaben- und Wertebereich liegt oder ob man da grundsätzlich etwas neu denken muss. Im Zweifel darf man sich ja auch als Mitarbeiter*in der Personalabteilung verändern. 😉

3. Must have: Eine Kultur, die mehr kann als nette Bildchen und tolle Worte

Divers, inklusiv, weltoffen – welches Unternehmen würde da nicht hinter jedes Wort direkt einen Haken setzen wollen? „Sind wir, hamm wa!“ Aber schöne Stichwörter und nette Bilder aus der Retorte reichen schon lange nicht mehr, um die Leute hinter dem Ofen hervor und in die eigene Firma zu locken. Nicht selten staunen Personalverantwortliche darüber, mit welchen Forderungen und Nachfragen die Generation Z auf den Arbeitsmarkt tritt. Aber ist ja auch kein Wunder: Schließlich hat diese Generation Social Media, Filter und Fake quasi mit erfunden – dann können sie es auch ganz einfach durchschauen, ob die Firma hier gerade etwas zu viel Zuckerguss über die eigene Kultur schüttet.

Aber auch ältere Arbeitnehmer*innen (wir denken zurück an die Umfrage aus der Einleitung), wollen heute ein Kulturversprechen, das am Ende auch gelebt wird. Weiche Schale mit einem hartem Kern – so könnte man die moderne Unternehmenskultur zusammenfassen. Die “weiche Schale”, das ist das verhandelbare Setting der Unternehmenskultur. Sind wir “remote oder Anwesenheit only”, wie sieht bei uns flexible Arbeitszeitgestaltung aus, wieviel Mitspracherecht hat bei uns das Kollektiv, wieviel wird top-down entschieden? So oder so ähnlich wird die Schale definiert.

Beim “harten Kern” geht es an den Purpose: Wofür wollen wir stehen? Was ist eigentlich der Geschäftssinn unseres Unternehmens? Nicht zu verwechseln mit dem Geschäftszweck aka “Geld verdienen”. “Find your why” von Simon Sinek kann dabei durchaus helfen…ich glaube aber, dass es wichtig bleibt, auch klar zu benennen, dass ein Unternehmen über Geld läuft. In schlechten Betriebsjahren kann es daher einfach auch mit Annehmlichkeiten und Boni trüb aussehen.

Informierte und eingebundene Mitarbeiter*innen können aber auch so etwas aushalten und “verzeihen” – vorausgesetzt, es entsteht dadurch keine Lethargie von Seiten der Geschäftsführung, sondern ein Gegensteuern. Auf dass eben wieder rosigere Zeiten kommen. Dass man Mitarbeiter*innen nicht mit solchen Themen “belasten” darf, davon bin ich nicht überzeugt. Auch hier kommt es auf das “why” an. Auch bei schlechten News muss ich in der Lage sein, Lösungen zu präsentieren oder eben alle mit einzubinden, um Lösungen zu finden.  Eine gesunde Unternehmenskultur hält das aus.

4. Must have: Invest in die eigene Weiterbildung

Die Herausforderungen, die vor HR liegen, sind nicht mit Besuchen auf zwei Konferenzen und einem Video auf Youtube zu lösen. Es wird immer deutlicher, dass Personalabteilungen Kompetenzen in Organisations- und Personalentwicklung und der Begleitung von Veränderungsprozessen benötigen. Das sind alles Kompetenzen, die man “Learning by doing” aufbauen KANN, aber das ist meiner Meinung nach nicht zielführend. Die Kernkompetenz, sich zu hinterfragen in alle diesen Prozessen, die fällt nicht vom Himmel. Das muss man tatsächlich erlernen. Egal, ob es um systemische oder agile oder am besten um beide Herangehensweisen geht: Man muss sie erst theoretisch besser durchdringen, damit man sie praktisch anwenden kann.

Klar ist die Vernetzung und Inspiration, die man auf (Online-)Konferenzen gewinnt essentiell, um einen guten HR-Job zu machen. Aber als Abteilung, die gerade in der Krise zu einem wichtigen Ratgeber und manchmal auch durchaus überforderten Manager wurde, braucht man ein solides Grundlagenwissen. 

Je länger ich in meinem Berufsfeld unterwegs bin, desto dankbarer bin ich für meinen Start im Konzern, weil dort einfach die Kohle da war, um mich adäquat auszubilden für meine Tätigkeiten. Ich erlebe in Coachings und Gesprächen leider immer wieder, dass Unternehmen dafür immer noch kein Geld in die Hand nehmen wollen. Das ist aber total unlogisch, weil eine moderne HR-Arbeit darin besteht, neben einer geräuschlosen Administration, eine Befähigung herzustellen. Eine Befähigung des Unternehmens, die kommenden Herausforderungen eines immer unberechenbarer werdenden (Arbeits-)marktes zu meistern. Das kann nur eine Abteilung leisten, die selbst befähigt wurde – durch einen soliden Grundstock an Weiterbildungen.

5. Must have: Hilfe holen, wo Hilfe gebraucht wird

Die beste Weiterbildung hilft manchmal auch nichts: Oft fehlt die Zeit, um bestimmte Projekte anzugehen. Diese wären “eigentlich mal dringend zu erledigen”, aber “so wichtig sind sie ja dann doch nicht” – und schwupps ist wieder ein neues Projekt auf die Prio A gerutscht. Diese vermeintlich ewigen B-Projekte sind aber oft die, die einen unmittelbaren Impact hätten. Sie sind aber gerne so “klein” und nicht selten administrativ, dass man dafür wenig Bock hat. Zumal diese aus Sicht des Managements oft als wenig einflussreich angesehen werden – und HR natürlich danach schaut, was die meisten Punkte beim Management bringt. Soweit die schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht lautet: Genau für solche Themen, aber auch für umfangreiches Sparring oder Coaching der eigenen Abteilung – dafür gibt es doch Freelancer*innen! Ich habe selbst im letzten Jahr einige Unternehmen in verschiedenen Themen begleitet und kann sagen: Es bringt in der gegenseitigen Zusammenarbeit unheimlich viel. HRler*innen und Manager*innen erhalten neue Sichtweisen, konkrete Ausarbeitungen und “fertige” Ansätze, die sie in ihrem Unternehmen einsetzen können. Freelancer*innen bringen neben der Arbeitskraft gratis und on top neues Wissen aus anderen Unternehmen mit und können so zielgerichtet beraten. Bei einer Beratung auf Augenhöhe kann das Unternehmen also nur gewinnen. Man muss also als kleines Unternehmen nicht auf Beratungen verzichten, nur weil die großen Agenturen große Rechnungen aufrufen. Man kann auch tolle Impulse für kleineres Geld bekommen, die am Ende auch die eigene HR-Abteilung motivieren, Dinge neu zu denken.


Seid weiterhin so mutig und wissensdurstig wie bisher und habt einen gesunden und guten Start ins neue Jahr! Und denkt dran, ne: HR is not a crime!

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